Das Caritas-Hotel magdas im Prater ist bei weitem nicht das einzige innovative Hotelkonzept Wiens. In den Urbanauts Street Lofts kann man in alten Gassenlokalen nächtigen. Und beim Essigwinzer Gegenbauer in Favoriten kriegt man Gründerzeit-Archaik mit Stil.

In manchen Hotels kann man schon froh sein, wenn an der Rezeption Englisch und Französisch gesprochen wird. Im magdas hotel im Wiener Prater, das am heutigen Valentinstag eröffnet wird, kann man den Gast gleich in 24 Sprachen willkommen heißen. Und das ist kein Zufall. Denn das von der Caritas betriebene Kein-Stern-Hotel ist ein "Haus mit sozialem Mehrwert", wie Michael Landau, Präsident von Caritas Österreich, betont. Nicht nur wohnen hier Flüchtlinge und Wientouristen unter einem Dach, vor allem auch sollen die hier lebenden Asylwerber im Hotelbetrieb beruflich Fuß fassen und sich für den bevorstehenden Arbeitsmarkt wappnen können. "Social Business" lautet das Konzept im Fachjargon.

Foto: Stefanie Steindl

"Unsere Vision ist, dass das magdas hotel ein Ort der Begegnung wird, an dem Vorurteile abgebaut werden", so Landau. Nationalflaggen von Algerien, Afghanistan, Guinea-Bissau, Syrien, Somalia, Iran und Irak, die an der Fassade hängen, machen das ambitionierte Vorhaben manifest. "Das ist kein Zielgruppen-Hotel für 25- bis 30-jährige Hipster", mein Clemens Foschi, magdas-Projektleiter und Geschäftsführer der Caritas Service GmbH, "sondern ein Haus, in dem Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen und gesellschaftlichen Schichten zusammenkommen."

Wilder Besuchermix

Schon jetzt scheint das Konzept aufzugehen. Bis Ende Februar ist das Hotel mit seinen 78 Zimmern, an deren Gestaltung sich Studierende der Akademie der bildenden Künste beteiligt haben, bereits ausgebucht. Der Besuchermix ist ein wilder - von jugendlichen Sparefrohs über Kulturtouristen bis hin zu Busladungen voller Reisegruppen. Angestrebt wird eine Auslastung von 65 Prozent, was laut Caritas-Chef Landau "eher konservativ kalkuliert" sei. Die Nächtigungspreise liegen zwischen 60 (Einzelzimmer) und 70 Euro (Doppelzimmer). Für die Honeymoon-Suite im vierten Stock mit Blick auf den Prater muss man etwas tiefer in die Tasche greifen - es ist für einen gleich mehrfach guten Zweck.

Foto: Stefanie Steindl

Ungewöhnlich ist nicht nur das Hotelkonzept, sondern auch die Gestaltung des Gebäudes, das in den Sechzigerjahren als Seniorenwohnheim errichtet wurde. Der Charme des Hauses wurde beibehalten, zu den alten Resopalmöbeln gesellen sich Stühle, Tische, Schränke und Betten aus dem Caritas-Archiv. Ein Teil der Einrichtung wurde privat gespendet. Die meisten Möbel wurden upgecycelt und gelangten auf diese Weise zu einem neuen Leben nach dem Tod, wie etwa die auseinandergesägten Holzstühle, die nun als Nachtkästchen aus der Wand zu wachsen scheinen.

Foto: Paul Kranzler

"Das war ein außergewöhnliches Projekt, mit dem man als Architekt nicht alle Tage konfrontiert ist", sagt Herwig Spiegl, Projektleiter und Generalplaner bei AllesWirdGut Architekten. "Wir mussten viel improvisieren und mit dem arbeiten, was da ist. Gelandet sind wir schließlich bei einem Stilmix aus Mid-Century, was sehr gut zu diesem Haus passt. Das ist weitaus nachhaltiger als der ganze modische Deko-Kitsch, den man in Hotels heute meist vorfindet."

Foto: Stefanie Steindl

Zwischennutzungsprojekt

Auch die hölzerne Schanigartenterrasse mit Tulpen- und Zwiebelbeeten, gestaltet nach einem Konzept von 3:0 Landschaftsarchitektur, überrascht als robust gezimmertes Langzeitprovisorium. Das magdas hotel ist ein temporäres Zwischennutzungsprojekt, anberaumt für fünf Jahre. Geht alles nach Plan, könnte die Nutzung verlängert werden. Das Investitionsvolumen für die Revitalisierung beläuft sich auf 1,5 Millionen Euro. Ein Teil wurde über Crowdfunding finanziert.

Foto: Stefanie Steindl

Das Recyclinghotel im Prater ist bei weitem nicht die einzige Nächtigungsalternative zum klassischen Hotelbetrieb in Wien. Im Elisabethviertel im vierten Bezirk startete das Ingenieur- und Designbüro Kohlmayr Lutter Knapp vor zwei Jahren seine Idee zur Wiederbelebung des Leerstands im Grätzel. Die Urbanauts Street Lofts nisten sich nach dem Vorbild des Pixel-Hotels in Linz in alte Gassenlokale ein - wie etwa Schneiderei, Schlosserei, Galerie oder Trafik - und beleben die leerstehenden Orte nächteweise mit Wientouristen.

Foto: Monika Nguyen

Streetloft als Prototyp

"Wir haben uns schon während des Studiums mit dem Leerstand in Wien beschäftigt", sagt Hotel-Geschäftsführerin Theresia Kohlmayr. "Und nachdem ich in Salzburg im Hotelbetrieb meiner Eltern aufgewachsen und mit der Hotellerie ganz gut vertraut bin, sind wir eines Tages bei der Idee gelandet, ein Prototyp-Streetloft zu wagen."

Was 2013 mit zwei Zimmern angefangen hat, ist nun ein kleines Straßenhotelnetzwerk aus mittlerweile fünf Straßensuiten. Gefrühstückt wird im Café Goldegg, die Zimmer (ab 90 Euro pro Nacht) können online gebucht und mittels Check-in-Code betreten werden. Weitere Zimmer sind bereits in Entwicklung.

Foto: Monika Nguyen

Wohnen beim Essigwinzer

Und in Wien-Favoriten kann man sich beim Essigwinzer-Doyen Erwin Gegenbauer einmieten. In seinem Haus in der Waldgasse 3 betreibt der ganzheitlich agierende Hedonist und Kulinariker ein Minihotel. Die Einrichtung der fünf ehemaligen Substandardwohnungen ist archaisch und wurde vom Architekturbüro heri & salli gestaltet: Betten aus Europaletten, Eisenketten und nackte Kabel, die von der Decke hängen. 95 (Einzelzimmer) bis 145 Euro (Doppelzimmer) kostet das Abenteuer im Essig-Ambiente.

Foto: Gegenbauer

"Ich halte diese slicken Designhotels nicht mehr aus", sagt Gegenbauer, der in den alten Räumlichkeiten den Putz abschlagen und die Ziegel freilegen ließ. "Ich will nichts zuschmieren, ich will die Geschichte sichtbar machen und den Besuchern ein Stückchen Wien bieten, wie ich es kenne und wie ich es liebe." Zum Frühstück gibt's selbstgebackenes Brot mit Pressrückständen aus der Essigproduktion und glückliche Eier, die man zuvor selbst aus dem Hühnerstall zusammenklauben musste. Die Wiener Hotellerie hat ihren Spieltrieb entdeckt. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 14.2.2015)

Erratum

Wir haben ursprünglich vermeldet, dass am Samstag, den 14. Februar im magdas hotel "Tag der offenen Tür" ist. Dabei handelt es sich um ein Missverständnis, wir haben diese Veranstaltung den Organisatoren fälschlicherweise untergejubelt. Wir bitten um Verzeihung.

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Urbanauts Street Lofts

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Foto: Gegenbauer