In diesem Film wird reichlich geschmachtet: Dakota Johnson als Anglistikdiplomandin Anastasia Steele, die in "Fifty Shades of Grey" einem Jungmilliardär mit speziellen Vorlieben zu verfallen droht.

Foto: Universal Pictures

Wien - Das Jahrtausend ist noch jung, es hat aber per Votum an den Buchhandelskassen bereits seine ersten Klassiker hervorgebracht: Fifty Shades of Grey, die Geschichte der Anglistikdiplomandin Anastasia "Ana" Steele, die durch Zufall die Bekanntschaft von Jungmilliardär Christian Grey macht, gehört dazu. 2011 in einem australischen Kleinverlag erschienen, ist sie nun ein Popkulturphänomen. Das erkennt man nicht zuletzt daran, dass der Roman der TV-Produzentin E. L. James aktuell als Film wiederkehrt.

James ihrerseits hat die Geschichte ursprünglich als Fan-Fiction zur Twilight-Saga begonnen: Schulmädchen Bella erliegt darin dem heimlichen Vampir Edward. Ana (Dakota Johnson) dagegen fällt ihrem Erfolgsunternehmer (Jamie Dornan) eingangs buchstäblich vor die Füße, als die schweren Holztüren in sein Büro unerwartet nachgeben. Möglicherweise inspiriert das den dominanten Christian ("I don't do romance") zum Vorschlag, Ana möge seine "Sub" werden, sich ihm im Rahmen eines vertraglich genau geregelten Verhältnisses nicht nur sexuell unterwerfen.

Nicht um die Ausschweifung geht es fürderhin in diesem filmischen Erziehungsroman: Zuerst einmal müssen Bedingungen ausgehandelt werden, unter denen Sexualität stattfindet ("anal fisting - streichen!"). Damit das nicht zu formalistisch gerät, zu explizit oder gar kompliziert für BDSM-Unkundige, muss ein bewährter dramatischer Konflikt her:

Folglich muss sich Ana verlieben, hin- und hergerissen sein zwischen dem Wunsch nach einer "normalen" Beziehung, ihrer Neugier auf unbekanntes Terrain und der Ablehnung von Sadomaso-Praktiken. Der Film kann diesen Widerspruch allerdings nicht auflösen. Er kann ihn leider nicht einmal plausibel machen. Was die Figuren motiviert - man versteht es immer weniger, je mehr Fifty Shades auf eine Klärung abzielt.

Regie geführt hat bei dem Projekt, das die Kinokassen sicher trotzdem füllen wird, die Britin Sam Taylor-Johnson, die bis zu ihrer Heirat 2012 Sam Taylor-Wood hieß. Unter diesem Namen wurde sie in den 1990ern als bildende Künstlerin und "Young British Artist" bekannt. Mit Fotoarbeiten und Videos, die gern mit klassischen, streng komponierten Sujets (Pieta; A Little Death, u. a.) operierten, auf Körper und deren Hinfälligkeit fokussierten.

In Fifty Shades of Grey sind die Körper vor allem aseptische, glatte Objekte, die sich gut ins Designerloft fügen. Ein wenig Bildwitz hat immerhin Eingang gefunden - etwa wenn Ana erstmals vorm Grey-Hochhaus steht und ganz klein zum schräg nach oben wachsenden Stahl-Glas-Phallus aufschaut. Dominiert wird das 125-Minuten-Werk von Großaufnahmen der beiden Hauptfiguren. Dialoge und schmachtende Blicke sind in statischen Schuss-Gegenschuss-Montagen aufgelöst.

Der ganze Film wirkt entsprechend verlangsamt und gebremst. Geradezu hysterisch wird in jede Kamerabewegung entlang der - in der zweiten Hälfte des Films fallweise auch einmal nackten - Körper hineingeschnitten, bevor sich der Blick dem Genitalbereich nähert. E.L. James ordnet ihr Werk dem Genre "provocative romance" zu. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass "provokant" keine fixe Kategorie ist, verfehlt der Film diese Wirkung (in Österreich hat es immerhin für eine Jugendfreigabe ab 16 gereicht).

Erregt bis in die Zehen

Bis zum ersten Kuss dauert es eine gute Dreiviertelstunde. Während der Vertragsverhandlungen am Konferenztisch blitzt ein bisschen Komik auf. Wenn es endlich zum Vollzug kommt, wird bis zur Aufnahme angespannter Frauenzehen auf Satinleintuch das altbewährte Zeichenrepertoire zur Darstellung sexueller Erregung bemüht. Immerhin kann sich Fifty Shades den Topos der "Klaviersonate danach" als Innovation patentieren lassen. Früher hätte man zur Zigarette greifen müssen.

Überhaupt früher: Da spielte Melanie Griffith, die Mutter von Ana-Darstellerin Dakota Johnson, eine ausgeflippte Femme fatale, die einen New Yorker Yuppie nicht zuletzt sexuell das Fürchten lehrte ( Something Wild, 1986). Die 1989 geborene Johnson wiederum hat eine entfernte Ähnlichkeit mit der unerschrockenen Charlotte Gainsbourg - und sie hat einen sehr einnehmenden Lacher. Man wünscht ihr fürs nächste Mal ein sehr viel besseres Drehbuch. Die Aufmerksamkeit von Castingagenten sollte sie jetzt haben. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 13.2.2015)