"Such die zornige Frau!" Mithilfe von Touchscreens konnten Kognitionsforscher der Vetmed-Uni Wien Hunden beibringen, Emotionen von menschlichen Gesichtern abzulesen.

Foto: Clever Dog Lab / Vetmeduni Vienna

Wien - Hundehalter wissen in der Regel genau, wie es ihren Vierbeinern gerade geht. Körperhaltung, Stellung der Ohren und der Rute, ja selbst die rudimentäre Mimik - mit etwas Erfahrung verraten die verschiedenen Signale genug, um zu wissen: Jetzt ist er mürrisch und will lieber seine Ruhe. Aber ist es umgekehrt genauso? Oder, konkreter: Können Hunde die Stimmung ihrer Frauchen und Herrchen am Gesicht erkennen?

Hunde haben zwar einen ausgezeichneten Geruchs- und Gehörsinn, geht es jedoch um das Sehen, dann haben wir die besseren Karten: Der Sehsinn ist beim Menschen etwa siebenmal besser entwickelt. Dies würde dafür sprechen, dass Hunde über kein besonderes Auge für die emotionale Befindlichkeit in der Mimik ihrer Besitzer verfügen. Tatsächlich war es bisher umstritten, ob Hunde in menschlichen Gesichtern lesen können. Den entscheidenden Beweis, dass dem doch so ist, dürften nun Wissenschafter von der Vetmed-Uni Wien erbracht haben. Allerdings mit einer Einschränkung: Die Hunde müssen die mimischen Ausdrücke erst erlernen.

Die Zoologen Corsin Müller und Ludwig Huber haben 20 Hunde darauf trainiert, fröhliche von zornigen Frauengesichtern zu unterscheiden. Dafür präsentierten sie den Tieren die beiden Gesichtsausdrücke nebeneinander auf einem Touchscreen. Eine Hälfte der Hunde sollte während der Übungsphase jeweils nur die vergnügten Gesichter mit ihrer Schnauze berühren, die andere Gruppe musste die Wutgesichter auswählen. Um zu verhindern, dass sich die Hunde an einzelnen Merkmalen, etwa Zornesfalten, orientierten, wurde ihnen jeweils nur entweder die obere oder die untere Gesichtshälfte vorgeführt.

Das im Fachblatt "Current Biology" publizierte Ergebnis war eindeutig: Der Großteil der Hunde erkannte ohne Probleme die unterschiedlichen Emotionen in den Gesichtern der dargestellten Frauen. Es machte dabei keinen Unterschied, ob sie die Mundpartie zu sehen bekamen oder die obere Gesichtshälfte beurteilen mussten. Durch das vorherige Training war es den Tieren sogar möglich, die Stimmungen von Personen zu erkennen, die sie zuvor noch nie gesehen hatten.

Zorn lässt Hunde zögern

Dass die Hunde die unterschiedlichen Mimiken tatsächlich auch als Ausdruck von Emotionen wahrnahmen, zeigte der Umstand, dass jene Testgruppe, die sich mit fröhlichen Gesichtern auseinandersetzte, bedeutend schneller lernte. Die Tiere aus der "Zorn"-Gruppe benötigten fast dreimal so lange, um das Trainingskriterium zu bewältigen.

Für Studienleiter Ludwig Huber ist dies ein Hinweis darauf, dass die Hunde Hemmungen hatten, die zornigen Gesichter anzustupsen. "Wir gehen davon aus, dass die Hunde bei dieser Übung aus ihrer Erinnerung schöpfen. Sie erkennen einen Gesichtsausdruck, den sie bereits abgespeichert haben", erklärt Erstautor Corsin Müller. "Wir vermuten, dass Hunde, die keine Erfahrungen mit Menschen haben, schlechter abschneiden würden oder die Aufgabe gar nicht lösen könnten." (Thomas Bergmayr, DER STANDARD, 13.2.2015)