Lost Themes

John Carpenter's Lost Themes (Sacred Bones)
Foto: Sacred Bones

Eigentlich hätte es der 66-jährige US-Regisseur John Carpenter immer lieber gehabt, wenn die Soundtracks seiner Filme Größen wie der Komponist Bernard Herrmann übernommen hätten: Citizen Kane, Die Vögel, Psycho, Taxi Driver ...

Blöderweise wurden dem lange Zeit künstlerisch nicht ganz ernst genommenen Carpenter allerdings nie die entsprechenden Budgets zur Verfügung gestellt, um mit teurem Star und großem Orchester aufnehmen zu können.

Das erweist sich im Nachhinein als großer Glücksfall. Der ehemalige Rock-'n'-Roll-Musiker beschäftigte sich früh mit Synthesizern und komponierte und spielte die heute als Klassiker geltende Musik zu Filmen wie Halloween, Assault on Precinct 13, The Fog, Escape from New York oder Prince of Darkness einfach selbst ein. Vor allem die Titelmelodien zu Halloween und Escape from New York wurden später zigfach gesamplet.

Heutzutage ist für Carpenter wegen Kassengifts wie Ghosts of Mars oder Vampires das Drehen von Filmen schwierig geworden, obwohl zuletzt 2010 mit The Ward durchaus ansprechender Horror gelang.

Mit John Carpenter's Lost Themes legt der Regisseur nun erstmals ein rein musikalisches Album vor. Es klingt zeitlos wie aus der Zeit gefallen, weiß aber alte Fans auf jeden Fall zu überzeugen. Noch immer pumpen und pluckern die Synthesizer dahin, als gelte es die alte 1970er-Jahre-Discokönigin Amanda Lear (Follow Me) mit der definitiv von Carpenter beeinflussten Titelmelodie von David Hasselhoffs Knight Rider vertraut zu machen. Dazwischen plinkert auf den flächigen Instrumentalstücken ein bedrohliches Halloween-Piano oder jault eine Heavy-Metal-Ausdrucksgitarre während der Flucht aus New York. Essenzielles neues Material von einem alten Innovator.

Games Have Rules

Vatican Shadow & Function - Games Have Rules (Hospital Productions)
Foto: Hospital Productions

Der New Yorker Produzent Dominick Fernow produziert seit Jahr und Tag unter den Pseudonymen Prurient und Vatican Shadow unter anderem auf seinem eigenen Label Hospital Productions eine mittlerweile etwas unübersichtlich werdende Anzahl von Cassetten, Platten und CDs. Sie wird vor allem von technoaffinen Menschen geschätzt, die sich für historische Grufti-Musik ebenso begeistern können wie für analogen Techno.

Der Unterschied zwischen beiden Pseudonymen ist vor allem daran erkennbar, dass Fernow live zwischen Grufti-Uniform und Combat-Kleidung wechselt. Musikalisch verschwimmen die Grenzen zwischen harschem Lärm, brummendem Bass, zarten Synthiepop-Ansätzen, Marschierpulver-Techno und brutalem Dub mit Youtube-Samples unter besonderer Berücksichtigung religiöser und anderer Fanatiker aus dem Nahen Osten und Westen sozusagen fließend.

Fernow musiziert aus einem abgerockten und mit diversen Samplern und Effektgeräten vollgeräumten Reisekoffer heraus solo mitunter an Adrian Sherwood oder Mark Stewart erinnernde Dub-Bretter, die Titel tragen wie Kneel Before Religious Icons oder Washington Buries Al Qaeda Leader At Sea. Das soll hart wirken. Doch, Amis ticken so.

Gemeinsam mit seinem New Yorker Technokollegen David Sumner alias Function bringt er nun Abwechslung ins Gestampfe. Auf dem Album Games Have Rules will man dem nächtlichen New York in Gestalt meist beatloser Ambient-Techno-Tracks einen düsteren und neonkalten Soundtrack verleihen, der manchmal gar nicht so weit von den Arbeiten des altvorderen John Carpenter entfernt ist. Bloß dass Carpenter mit Escape from New York gegen dieses Duo natürlich wie Mister Sonnenschein wirkt. (schach, Rondo, DER STANDARD, 13.2.2015)