Budapest, Kiew, Moskau, Washington, Minsk – die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in den vergangenen Tagen nicht nur ein beeindruckendes Reisepensum absolviert, sondern auch gezeigt: Ohne Merkel läuft nichts auf der europäischen Bühne, sie dominiert Europa. Merkel wird auch als die wichtigste Vertreterin Europas im Weltgeschehen wahrgenommen. Deutschland hat damit die nach dem Zweiten Weltkrieg auferlegte Zurückhaltung abgelegt - auch, weil sich Frankreich selbst abgemeldet hat. Merkels Wort hat Gewicht, das zeigte sich insbesondere in Washington, wo US-Präsident Barack Obama vor allem eines tat: Merkel zuhören. Das tat schon die versammelte Weltgemeinschaft bei der Münchner Sicherheitskonferenz und davor beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

Merkel erklärt nüchtern, was Sache ist: Ob zur Euro- oder Ukraine-Krise, sie hat die Fakten bis ins Detail parat. Die promovierte Physikerin geht in der Politik wie in den Naturwissenschaften vor, sie zerlegt komplexe Sachinhalte, analysiert und versucht mögliche Folgen von Handlungen zu berechnen. Dass die CDU-Chefin in ihrer Regierung und ihrer Partei gerne moderiert und weniger agiert, wird ihr vor allem von deutschen Medien vorgeworfen. In der Griechenlandkrise ist es die neue Regierung in Athen, die Berlin zum Handeln zwingt, in der Ukraine-Krise hat Merkel selbst eine aktivere Rolle angestrebt.

Wenn nicht Merkel, wer sonst hätte Russlands Präsident Wladimir Putin zumindest zurück an den Verhandlungstisch gebracht? EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ist seit ihrem Amtsantritt nicht wirklich aufgefallen. Ihr Handlungsfeld ist begrenzt, weil die EU-Staaten eigene Außenpolitik betreiben wollen. Diese Erfahrung machten bereits EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und Mogherinis Vorgängerin Catherine Ashton.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier arbeitet eng mit Merkel zusammen, die Ukraine-Verhandlungen laufen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter Berliner Ägide schon länger. Das ist auch Merkels Stärke nach außen: Sie kann sich bei beiden Krisen auf ihre Minister verlassen. Neben dem SPD-Politiker Steinmeier ist dies Finanzminister Wolfgang Schäuble. Die deutsche Regierung tritt in außen- und europapolitischen Fragen geschlossen auf.

Das ist in Österreich mit gleicher Koalitionskonstellation anders. An dem Tag, als Außenminister Sebastian Kurz in Brüssel den Vorratsbeschluss über weitere Sanktionen gegen Russland mitentschied, erklärte Bundeskanzler Werner Faymann in Wien, er sei gegen weitere Sanktionen. Sein Griechenlandkurs: ein bisserl Verständnis für Athen, eigentlich sei Merkel mit ihrem Abwarten schuld. Mit eigenen Initiativen zur Krisenbewältigung ist aber Faymann auch auf EU-Ebene nicht aufgefallen.

Merkels Position ist klar: keine Waffenlieferungen an die Ukraine und ein Beibehalten der Sanktionen gegen Russland als Droh- und Verhandlungsmittel. In der Griechenlandfrage scheint die deutsche Regierung vom bisherigen harten Spardiktat abzurücken. Man wartet ab, was die neue griechische Regierung genau will. Geld ohne Konditionen wird es von Deutschland aber nicht geben.

Es sind entscheidende Tage für Europa, viel hängt von Merkel ab. Dass ihre Strategie gescheitert und sie entzaubert sei, wie Spiegel Online behauptet, ist noch nicht entschieden. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 12.2.2015)