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Kosovaren, die nach Ungarn wollen, werden an der serbisch-ungarischen Grenze von serbischen Beamten festgehalten.

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Eine andere Gruppe von Auswanderern auf einem Bahnhof in Budapest: Sie haben es in die EU geschafft – laut dem Grenzabkommen zwischen Serbien und dem Kosovo muss Serbien sie danach nicht mehr einreisen lassen.

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Dicke Jacken, ein großer Rucksack. Die drei Studenten und zwei Studentinnen auf dem Busbahnhof in Prishtina sind auf einen schwierigen Trip vorbereitet. Sie wollen nach Su-botica in Serbien, dort werden sie erfahren, wie es weitergehen soll. Das Ziel ist klar: Deutschland, Arbeit finden, weg aus der Perspektivenlosigkeit im Kosovo. Die Reisenden sind jung, zwischen 21 und 23. Sie haben ihr Studium noch nicht abgeschlossen, aber sie glauben auch nicht, dass es möglich ist, im Kosovo mit Leistung oder Bildung viel zu erreichen.

Im Unterschied zu den vergangenen Jahren sind es nicht vorwiegend Roma, die den jungen Balkanstaat verlassen, sondern Albaner. Nach der Unabhängigkeit 2008 ist Ernüchterung eingetreten. Man hat gesehen, dass die wirtschaftliche Entwicklung ausbleibt, dass man nur etwas erreichen kann, wenn man einer Partei angehört oder einflussreiche Freunde hat. Es ist wie sonst wo auf dem Balkan: Wer wegkann, der geht weg. Möglichst schnell.

Der Unterschied zu Bosniern, Serben, Mazedoniern oder Albanern ist aber, dass die Kosovaren weiterhin Schengenvisa brauchen. Deshalb reisen sie nicht als Touristen aus wie viele andere, sondern passieren illegal die serbisch-ungarische Grenze. Viele suchen in EU-Europa um Asyl an. Insbesondere Deutschland ist attraktiv, weil die Verfahren dort im Durchschnitt fast fünf Monate brauchen, wie Expertin Alexandra Stiglmayer erklärt. "Das lohnt sich, man bekommt kostenlos Unterkunft, kann schwarz arbeiten und bekommt medizinische Versorgung", so Stiglmayer zum Standard. Einzige Möglichkeit, die Zahl der Asylansuchen zu verringern, ist es, das bürokratische Prozedere zu verkürzen.

Die Motive sind klar: die Winterkälte, die Armut, die Hoffnungslosigkeit. Offiziell gibt es 30 Prozent Arbeitslose, 30 Prozent leben unter der Armutsgrenze. Einer der Gründe für den jetzigen Anstieg der illegalen Migranten aus dem Kosovo ist auch das neue Grenzabkommen mit Serbien. Die Kosovaren dürfen mit ihrem Personalausweis die serbisch-kosovarische Grenze passieren, und wenn sie einmal die ungarische Grenze überschritten haben – was zurzeit einfach ist –, nimmt sie Serbien nicht mehr zurück. Das entspricht dem Grenzabkommen.

Illegaler Übertritt: 500 Euro

Kosovarische Medien berichten von serbischen und ungarischen Grenzbeamten, die beim Schmuggeln "mitverdienen". Faktum ist, dass die Kosten zurzeit bei etwa 500 Euro liegen, vor zwei Jahren war es noch etwa das Vierfache. "Der größte Fehler liegt aber an der ungarischen Außengrenze, die nicht genügend überwacht wird", sagt Stiglmayer. Zudem sind die Schmuggler viel besser organisiert. Besa Shahini von der European Stability Initiative (ESI) im Kosovo verweist auf die politischen Folgen der Abwanderung: "Die EU-Kommission hat bereits im Bericht 2014 einen Rückgang der Asylwerber gefordert, damit die Visaliberalisierung kommen kann." Shahini glaubt nun nicht, dass das Schengenregime für die Kosovaren fällt.

Obwohl die Arbeitsmigration der Albaner seit Jahrhunderten Tradition hat, denkt der Südosteuropaexperte Oliver Schmitt von der Uni Wien nicht, dass die aktuelle Ausreisewelle damit ganz erklärt werden kann: "Die Leute suchen nun permanent woanders ein besseres Leben." Es waren aber schon immer ökonomische Gründe, weshalb sich Albaner auf den Weg machten. Zu Beginn der 1920er-Jahre lebten Zehntausende etwa in Istanbul, wie Schmitt erzählt. Auch nach 1945 gab es eine Auswanderung in die Türkei. "Die albanische Geschichte hat eine enorme migratorische Dynamik", so Schmitt. Im Osmanischen Reich waren viele saisonale Wanderarbeiter. Sie brachen am Demetriustag (26. Oktober) auf und kehrten am Georgstag (6. Mai) zurück. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 12.2.2015)