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Zuckerkügelchen als Ersatz für Medikamente?

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Vor allem Tiere und kleine Kinder müssen immer wieder als Beweis für die Wirksamkeit von Homöopathie herhalten.

Foto: APA/rubra

Die Homöopathie ist ein so großer und gewaltiger Schmarrn, dass es da mit einem einzigen Artikel lange nicht getan ist. Ich bin mir sicher, dass diese "alternative Medizin" in der Zukunft noch viel Material für weitere Blogeinträge liefern wird. Aber fürs Erste möchte ich mich auf einen ganz speziellen Aspekt konzentrieren. Das vermeintliche "Killerargument", das man fast immer zu hören bekommt, wenn man irgendwo erklärt, dass Homöopathie nicht funktionieren kann: "Wenn Homöopathie ja nur ein Placebo ist, wieso wirkt sie dann bei Tieren und Kindern?".

Klingt überzeugend, oder? Wenn man sich die Wirkung der homöopathischen Globuli angeblich nur selbst einredet, wie kann es dann sein, dass auch die Krankheiten von Tieren oder kleinen Kindern durch sie geheilt werden? Ist das nicht ein klarer Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie?

Nein, ist es nicht. Homöopathische Globuli sind nun mal eben nichts anderes als Zuckerkugeln ohne jeden Wirkstoff, auf die sich auch keine irgendwie gearteten "feinstofflichen Informationen" einprägen lassen. Und wo nichts ist, kann auch nichts wirken – auch nicht bei Tieren oder kleinen Kindern. Nichts, bis auf den Placeboeffekt, der hier nämlich trotzdem auftreten kann, auch wenn das auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag.

Der hungrige Hund

Über die scheinbare Wirkung von Präparaten, die keine pharmakologischen Wirkstoffe beinhalten, wird seit Jahrzehnten geforscht. Und das auch bei Tieren: Der berühmte russische Mediziner Iwan Pawlow entdeckte zum Beispiel nicht nur, dass er über die Methode der Konditionierung allein durch den Klang einer Glocke den Speichelfluss eines hungrigen Hundes anregen konnte. Er fand auch heraus, dass Hunde, die sich nach der Injektion von Morphium übergeben mussten, das später auch dann taten, wenn sie nur simple Kochsalzlösung gespritzt bekamen. Diese Konditionierungsexperimente wurden später oft wiederholt und bestätigt. Zum Beispiel bei durch Morphin konditionierten Ratten, denen nach einiger Zeit ein wirkstoffloses Präparat genügte um eine Schmerzlinderung herbei zu führen oder bei Hunden, deren Blutzuckerspiegel auch dann sank, wenn sie anstatt Insulin nur ein Placebo erhielten.

Die Konditionierung ist aber nur für einen Teil des Placeboeffekts verantwortlich. Ein zweiter wichtiger Mechanismus ist "Placebo by Proxy". Hier sind es die Besitzer der Tiere, die nach Verabreichung der wirkungslosen homöopathischen Präparate den Effekt auslösen. Das Tier mag zwar keine Ahnung haben, ob es ein echtes Medikament bekommt oder nur Homöopathie. Aber der Besitzer weiß es und ändert dementsprechend seine Erwartungshaltung. Wer ein krankes Tier pflegen muss, ist verständlicherweise nervös, besorgt und unruhig. Diese Unruhe legt sich, wenn man das Gefühl hat, dem Tier durch die Verabreichung von homöopathischen Mitteln geholfen zu haben. Man entspannt sich und kümmert sich vielleicht konzentrierter und intensiver um den tierischen Patienten als zuvor. Es reicht völlig, dass der Placeboeffekt die Besitzer der Tiere beruhigt um so auch positive Auswirkungen auf die Tiere zu übertragen.

Den Höhepunkt der Krankheit erwischen

Außerdem sind es immer auch die Menschen, die beurteilen, ob es einem kranken Tier besser geht oder nicht. Hier greifen dann die üblichen Mechanismen, die auch den menschlichen Patienten eine homöopathische Wirkung vortäuschen können, wo keine ist. Zum Beispiel die "Regression zur Mitte": Viele Krankheiten heilen von selbst und die Symptome werden dabei zuerst immer stärker bevor sie sich abschwächen und verschwinden. Gibt man ein homöopathisches Mittel dann, wenn die Symptome besonders schlimm sind, stehen die Chancen gut, dass man gerade den Höhepunkt erwischt hat. Es wäre dem Tier danach so oder so besser gegangen, aber wir Menschen neigen eben dazu, kausale Zusammenhänge zu vermuten, auch wenn sie nicht existieren und werden die Abschwächung einer "Wirkung" der Homöopathie zuschreiben.

Und was bei Tieren funktioniert, funktioniert bei Kindern natürlich um so mehr. Sie reagieren noch viel stärker auf die Befindlichkeiten ihrer Eltern und lassen sich viel stärker beeinflussen als Erwachsene. Wie gut hier der Placeboeffekt "wirkt" weiß jeder, der schon mal einem heulenden Kleinkind auf das aufgeschlagene Knie gepustet hat und sehen konnte, wie der Schmerz auf einmal verschwindet (Übrigens: Laut einer Pressemitteilung des deutschen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte sollte man das mit dem Pusten lieber lassen, um keine Bakterien in die Wunde zu bringen).

Fehlende Behandlung

Aber auch wenn der Placeboeffekt bei Tieren und kleinen Kindern existiert, ist er nicht allmächtig. Viele Krankheiten können eben nur durch den Einsatz geeigneter Medikamente geheilt werden und wenn man das – und den Besuch bei einem vernünftigen Arzt – ignoriert, dann kann das fatale Folge haben. Im "besten" Fall ist das Kind dann einfach nur länger krank, als es eigentlich nötig gewesen wäre, im schlimmsten Fall stirbt es mangels Behandlung.

Der große Schmarrn der Homöopathie hat sich aber wohl leider schon zu sehr in unserer Gesellschaft festgesetzt. Viel zu viele Menschen sind auf den Schmäh der "sanften und ganzheitlichen Alternativmedizin" hereingefallen (obwohl Homöopathie weder "sanft", noch "ganzheitlich", auch keine "Alternative" und mit Sicherheit keine "Medizin" ist), und die Pseudomedizin der wirkungslosen Zuckerkugeln kann man mittlerweile sogar schon an den Universitäten lernen. Zum Beispiel im Sommersemester 2014 die "Homöopathie in der Gynäkologie und Geburtshilfe" an der MedUni Wien; was aber wenig überrascht, denn die Universitätsklinik leistet sich ja auch eine Spezialambulanz für "Homöopathie bei malignen Erkrankungen.

Am besten, man wirft ein paar Bovista-Globuli ein - die sollen nach Angaben eines Innsbrucker Arzt bei Frustration und "angefressen sein" helfen - und hofft ganz fest auf den Placeboeffekt. (Florian Freistetter, derStandard.at, 17. 2. 2015)