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Anhänger von Al Zamalek am Sonntag vor dem Kairoer Air Defense Stadion. Aus ihrem Begehr um Einlass zum Spiel gegen ENPPI wurde die zweite große Tragödie des ägyptischen Fußballs binnen drei Jahren.

AP/ Ahmed Abd El-Gwad

Wien - Es gibt wenige Länder, in denen der Fußball so stark politisiert ist wie in Ägypten. In Europa verhielt es sich im ehemaligen Jugoslawien ähnlich. Roter Stern Belgrad galt als Vertreter des Tito-Kommunismus, im Gegensatz zum Stadtrivalen Partizan. In Nordafrika gelten Fußballstadien auch heute als Sammelbecken für sogenannte "unpolitische" und dennoch höchst politische Akteure. Denn die Ultras aus Ägypten deklarieren sich zwar nicht als politische Kraft, sie sind aber in höchstem Maße in die Tagespolitik involviert.

Die Ultras der zwei populärsten Hauptstadtklubs, Zamalek und Al Ahly, waren an vorderster Front, als es gegen das Mubarak-Regime ging. 2011, bei den nicht einmal dreiwöchigen revolutionären Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Staatsmacht, waren 846 Menschen getötet worden. Es gab mehr als 6000 Verletzte. Beide Seiten ziehen sich besonderer Brutalität.

Die Schatten von Port Said

Danach passierten im ägyptischen Fußball zwei größere Tragödien: 2012 starben 70 Al-Ahly-Fans bei einem regelrechten Massaker im Stadion von Port Said. Der Name Al Ahly bedeutet das Volk, der Klub sieht sich als Symbol des Volkes. Die Ultras von Al Ahly gelten seit jeher als Zweigstelle der ägyptischen Opposition. Die 70 Al-Ahly-Opfer, die von Fanatikern des Vereins Al Masry unter Aufsicht der Polizei getötet worden waren, werden als Märtyrer verehrt. Der ägyptische Fußball erholte sich von den Vorfällen nicht. Die Meisterschaft war für mehr als ein Jahr unterbrochen, danach gab es Zuschauersperren für alle Stadien.

Drei Jahre nach Port Said, am vergangenen Sonntag, fielen vor dem aus Fanperspektive völlig bedeutungslosen Spiel zwischen ENPPI Kairo und Zamalek zumindest 19 Menschen Ausschreitungen zum Opfer. Wieder mit im Gedränge: die Polizei. Allein daraus könne man schließen, dass die Tragödie nichts mit verfeindeten Fangruppen zu tun hatte, sagen Experten des ägyptischen Fußballs. Bei den Toten handelte es sich schließlich um Fans von Al Zamalek, der Mannschaft aus dem eher eleganten Kairoer Bezirk Zamalek auf der Insel Gezira, des ersten Vereins im Land, der nicht von Briten gegründet wurde.

Ihren Fans war das Mubarak-Regime verhasst, genauso wie die Herrschaft der Muslimbrüder unter Präsident Mohammed Morsi und wie die jetzige Regierung unter Abdelfattah al-Sisi. Zamalek ist die zweiterfolgreichste Mannschaft hinter Rekordmeister Al Ahly. Während Afrikas "Jahrhundertklub" die Arbeiterschaft anhängt, kommen die Zamalek-Fans aus der oberen Mittelschicht.

Zamalek hat eine kleinere Fanbasis als Al Ahly. Die Ultras beider Mannschaften werden medial gerne als extremistisch oder der Muslimbruderschaft nahestehend eingestuft. Die Kategorisierung Zamaleks wird dadurch erleichtert, dass selbst der Klubpräsident, Murtada Mansour, die White Knights genannten Ultras des Vereins als terroristisch charakterisiert. Mansour machte die Muslimbruderschaft für die Tragödie vom Sonntag verantwortlich.

Schoßhund Mubaraks

Der Präsident, von den Fans als Schoßhund Mubaraks beschrieben, will die Hardcore-Anhänger aus dem Stadion verbannen. An die Spitze des Klubs war er von General al-Sisi gehievt worden, als dessen langer Arm er in Sachen Repressalien gegen politische Gegner gilt. Al-Sisi tritt für eine Entpolitisierung der Stadien ein. Das wird ein schwieriges Unterfangen. Die getöteten Fans reihen sich in den Augen ihrer Kollegen unter den Märtyrern der Revolution und von Port Said ein.

Die ägyptische Meisterschaft, zu der erst vor einem Monat wieder Zuseher zugelassen wurden, ist neuerlich für unbestimmte Zeit unterbrochen. (Tamás Dénes, DER STANDARD, 11.2.2015)