Berlin - Während Bayern beim Ausbau der Stromnetze auf die Bremse tritt, werden im Norden Deutschlands Fakten geschaffen: Bald soll deutscher Windstrom erstmals per Seekabel nach Norwegen geleitet und dort in riesigen Seen gespeichert werden.

Deutschland und Norwegen rücken bei der Energiewende enger zusammen. An diesem Dienstag wird im norwegischen Haugesund ein Vertrag für den Bau des 623 Kilometer langen Gleichstrom-Seekabels "NordLink" unterzeichnet, mit dem beide Länder erstmals direkt durch die Nordsee Ökostrom austauschen wollen. Die Investitionen sollen bei 1,5 bis 2 Mrd. Euro liegen.

Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der im Inland beim Netzausbau vor allem mit großen Widerständen in Bayern zu kämpfen hat, sieht ein wichtiges Signal für den europäischen Strommarkt. "Wir unterstützen diese neue Seekabelverbindung, denn sie ist ein weiterer wichtiger Schritt zu mehr Versorgungssicherheit für Deutschland, aber auch für Norwegen", sagte Gabriel der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Durch das NordLink-Kabel können bis zu 1.400 Megawatt Strom fließen, das entspricht der Leistung eines Atomkraftwerks. Die Leitung soll 2020 fertig, ein Probebetrieb 2019 möglich sein. Die Trasse wird von Tonstad in Norwegen bis nach Wilster in Schleswig-Holstein gehen.

Durch das Seekabel soll überschüssiger Windstrom, der in Deutschland gerade nicht gebraucht wird, durch die Nordsee nach Norwegen gebracht und dort in Pumpspeicherkraftwerken gespeichert werden. Herrscht in Deutschland Flaute und gibt es zu wenig Strom, kann dort wiederum Wasser herunterfließen, Turbinen antreiben und der Strom zurück nach Deutschland kommen.

Vertrag vor Unterzeichnung

An diesem Dienstag wollen die Übertragungsnetzbetreiber Tennet und Statnett sowie die deutsche Staatsbank KfW im norwegischen Haugesund den Vertrag zum Bau von NordLink unterschreiben. Die norwegische Statnett wird 50 Prozent am NordLink-Konsortium halten, Tennet und KfW jeweils 25 Prozent. Tennet-Manager Lex Hartmann meinte: "Das Kabel nach Norwegen ist die ideale Verbindung mit der Windenergie in Norddeutschland."

Mit voranschreitenden Großprojekten wie NordLink dürfte der Druck auf Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zunehmen, der sich beim verabredeten Netzausbau bisher querstellt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow beschwerte sich inzwischen sogar bei Kanzlerin Angela Merkel über dessen Kurs. Sollte Seehofer bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber neuen Stromtrassen von Nord nach Süd bleiben, werde es "klaren Widerstand" aus Thüringen geben, heißt es nach Informationen der "Welt" (Dienstag) in einem Brief Ramelows an die Kanzlerin.

Seehofer weiß allerdings viele Bürger in Bayern hinter sich, die sich vor geplanten neuen Stromautobahnen fürchten. Damit soll beim Umbau der deutschen Energieversorgung von Atom- auf Ökostrom mehr Wind- und Solarstrom aus dem Norden und Osten in die Industriezentren im Süden kommen, wo mehrere Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Seehofer hatte 2013 im Bundesrat den Netzausbauprojekten zugestimmt.

Deutschland hatte sich 2011 nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima für einen völligen Umbau der Energieversorgung entschieden. Das letzte Kernkraftwerk soll bis 2022 vom Netz gehen. Der Anteil von Ökostrom aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse an der Stromerzeugung soll von heute 25 Prozent bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent steigen. (APA, 10.2.2015)