Bild nicht mehr verfügbar.

Angela Merkel zu Besuch im Weißen Haus.

Foto: APA/EPA/Scalzo

Irgendwann hört man auf mitzuzählen, wie oft Barack Obama und Angela Merkel Vokabeln wechselseitiger Solidarität verwenden. Worte wie Einheit, feste Allianz, verstärkte Einigkeit. Der amerikanische Präsident und die deutsche Kanzlerin – unter den Kronleuchtern, vor den samtschweren Vorhängen im East Room, dem Prunksaal des Weißen Hauses, zelebrieren sie den Schulterschluss, so demonstrativ wie lange nicht. Vor dem Vierertreffen in Minsk, dem nächsten Anlauf, die Krise in der Ukraine diplomatisch zu entschärfen, wollen sie vor allem eines signalisieren: Falls Wladimir Putin darauf hofft, Amerikaner und Europäer auseinanderdividieren zu können, dann ist das mit diesen beiden, mit Obama und Merkel, nicht zu machen.

WhiteHouse.gov

Auf die Frage, was wird, wenn Minsk scheitert, falls Putin stur bleibt und Washington beginnen sollte, Waffen an die Ukraine zu liefern, klingen sie fast wie Partner einer Regierungskoalition. Der Präsident und seine Außenministerin, könnte man sagen. Noch habe er nichts entschieden in Sachen Waffen, das wolle er hier betonen, sagt Obama. Aber falls der diplomatische Versuch diese Woche fehlschlage, dann stehe eines für ihn außer Zweifel: "Es wird weiter eine starke, einheitliche Antwort der USA und Europas geben". Wovon man in jedem Fall ausgehen könne, greift Merkel den Satz auf, sei dies: "dass die Allianz zwischen den Vereinigten Staaten und Europa weiter da sein wird".

Der Amerikaner lobt die Deutsche für ihre strategische Geduld, was nebenbei klingt, als wollte er den republikanischen Hitzköpfen um John McCain zurufen, sie sollten sich ein Vorbild an der nervenstarken Lady aus Germany nehmen, statt in jedem Problem einen Nagel zu sehen und zum Hammer zu greifen. Worauf die Kanzlerin den Ungeduldigen einmal mehr ans Herz legt, einige der jüngeren Kapitel deutscher Geschichte zu studieren.

Als Ronald Reagan 1987 vorm Brandenburger Tor stand und Michail Gorbatschow aufforderte, dieses Tor aufzumachen und die Berliner Mauer niederzureißen, da hätten in ihrer Generation nicht mehr viele daran geglaubt, dass man die deutsche Einheit noch erleben werde. Und das zwei Jahre vor dem Mauerfall. Wer langen Atem beweise, will Merkel wohl sagen mit dem Vergleich, der komme irgendwann auch ans Ziel. Dann hält sie eine kleine Lobrede auf den Charme der kleinen Schritte, beharrliche Arbeit, stoisches Nichtaufgeben.

"Es ist immer richtig, noch mal und noch mal zu versuchen, Konflikte diplomatisch zu lösen", sagt die Kanzlerin. Erfolgsgarantien gebe es keine, aber sie würde sich persönlich große Vorwürfe machen, würde sie es mit Blick auf die Ukraine nicht nochmals versuchen. Konflikte zu lösen, dies sei nun mal die Pflicht, dies sei der Beruf von Politikern.

"Angela hat Recht", pflichtet Obama bei, es gebe nie Garantien, dass dieser oder jener Ansatz funktioniere. Im Übrigen gelte für ihn, etwa, wenn er über Waffenlieferungen für die Ukraine nachdenke, immer nur ein Kriterium: Ob die jeweilige Maßnahme eher effizient oder eher ineffizient sei. Zwei Feinmechaniker der Weltpolitik, keine Haudegen, keine schnellen Entscheider wie einst George W. Bush, sondern Realpolitiker ohne Flausen im Kopf: So ließe sich zusammenfassen, was der Präsident über sich und die Kanzlerin sagt.

Konkret wird er nicht. Die Frage, ob er der ukrainischen Armee Defensivwaffen liefert, wie es nicht nur etliche Republikaner empfehlen, sondern auch sein designierter Verteidigungsminister, lässt er unbeantwortet. Klar ist, dass Obama abwartet, bis in Minsk die Würfel fallen. Und dass er im Stillen wohl damit rechnet, dass auch dieser Versuch des Dialogs mit Putin nicht mit einem Durchbruch und womöglich sogar mit einem Fiasko endet. Sicher gebe es taktische Differenzen zwischen Amerikanern und Europäern, räumt er in einem Nebensatz ein. Worin die bestehen, will er nicht durchdeklinieren. Wie gesagt, es ist der Tag des opulent inszenierten Schulterschlusses. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 10.2.2015)