Der nördliche Teil des Quelccaya-Gletschers in den Anden Perus. US-Forscher fanden im ewigen Eis Spuren von Blei, das ab 1600 in der 800 Kilometer entfernten Bergbaustadt Potosí freigesetzt wurde.

Foto: Paolo Gabrielli

Washington/Wien - Der Quelccaya-Gletscher in den Anden Perus ist das größte tropische Eisfeld der Welt. Mit mehr als 40 Quadratkilometern Ausdehnung bildet die im Schnitt auf knapp 5500 Metern Seehöhe gelegene Eiskappe zudem auch einen Trinkwasserspeicher für die Hauptstadt Lima.

Der vom Abschmelzen bedrohte Gletscher ist aber auch ein einzigartiges Klimaarchiv: Bohrkerne aus dem Quelccaya-Eis dokumentieren die tropische Klimageschichte der vergangenen 1200 Jahre mit beispielloser Genauigkeit, wie Studien von Klimatologen um Lonnie Thompson (Ohio State University) in den vergangenen Jahren gezeigt haben.

Anstieg kurz vor 1600

Bereits 2003 hat Thomson mit seiner Frau Ellen Mosley-Thompson und weiteren Kollegen dem Gletscher Eisbohrkerne entnommen, deren Analysen nach wie vor Überraschungen zutage fördern. Jüngstes Beispiel sind Erkenntnisse über die von Menschen gemachte Luftverschmutzung, die auch in Südamerika viel weiter zurückreicht, als man vermuten würde.

Für ihre neue Studie, die im Fachblatt PNAS veröffentlicht wurde, suchten die Forscher in den Eisbohrkernen insbesondere nach Spuren von Schwermetallen wie Blei und wurden mittels Massenspektrometrie prompt fündig: Kurz vor dem Jahr 1600 stieg die Konzentration von Blei im Eis massiv an und blieb bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr hoch.

Argument für Anthropozän

Des bleischweren Rätsels Lösung fanden die Forscher rund 800 Kilometer südöstlich des Quelccaya-Gletschers: Bereits zur Zeit der Inkas wurde in der Stadt Poposí im heutigen Bolivien Silberbergbau betrieben. Die Spanier stellten mit den als Arbeitssklaven missbrauchten Inkas auf eine weitaus effektivere und giftigere Methode der Silbergewinnung um: Das Silbererz, das viel mehr Blei als Silber enthält, wurde nun fein gemahlen, ehe es mit Quecksilber versetzt wurde. Das führte letztlich zur massiven Emission von Bleipartikeln, die auch noch in den mehr als 800 Kilometer entfernten Bergen Perus niedergingen.

Für Koautor Paolo Gabrielli wird durch die neue Studie offensichtlich, dass der Mensch lange vor der industriellen Revolution massiv in die Umwelt eingegriffen hat. Deshalb unterstützt auch er den Vorschlag, das jüngste Erdzeitalter Anthropozän zu nennen. Offen bleibt nur die Frage, wann der Beginn dieses Zeitalters anzusetzen ist: Schließlich hat man im ewigen Eis von Grönland Spuren von Blei gefunden, die 2500 Jahre alt sind und von den alten Römern und Griechen stammen. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 10.2.2015)