70 Schachteln zum Thema Scharia-Rechtsschule von 1887 bis 1945 verbrannt, ebenso 514 Schachteln und 50 Bücher hinsichtlich des Obersten Schariagerichts für Bosnien-Herzegowina. Vor einem Jahr, am 7. Februar 2014, brannte in Sarajevo das Staatsarchiv, nachdem Demonstranten das Präsidentschaftsgebäude angezündet hatten. Sie wussten wohl nicht, dass im Keller die alten Akten aus k. u. k. Zeit gelagert waren. Ihr Zorn richtete sich gegen die Herrschenden. Dennoch wurden insgesamt 300 Kartons völlig zerstört, sie können nicht mehr restauriert werden. Die meisten Akten bezogen sich auf Österreich-Ungarn.

Das Familienarchiv der Hohenbergs, eine Schachtel zum "Prozess betreffend Gavrilo Princip und Kameraden", aber auch Akten über das Militärinternat für Jungen in Sarajevo: alles vernichtet. Das Militärknabenpensionat war eines der wichtigsten Projekte der Österreicher in Bosnien-Herzegowina, hier sollte die künftige Elite ausgebildet werden.

Sammlungen der Historiker

Kurz nach dem Brand hat die österreichische Historikerin Tamara Scheer vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Historische Sozialwissenschaft einen Aufruf über eine Facebookgruppe gestartet. Denn viele Historiker haben in den vergangenen Jahren Kopien und Scans der Dokumente gemacht. Dieser "Schatz" soll dem bosnischen Staatsarchiv nun als Ersatz zur Verfügung gestellt werden.

30 Historiker haben sich bereits gemeldet, aus der Türkei, aus Österreich, aus Deutschland, aus den USA, Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Nun soll gesichtet werden, welche Fotos und Scans in den Privatsammlungen der Historiker vorhanden sind, und dies soll mit den zerstörten Akten abgeglichen werden.

Scheer richtet nun einen Aufruf an Universitäten und Forschungseinrichtungen, die sich mit bosnischer Geschichte befassen, um an diesem Projekt teilzunehmen. "Obwohl die Akten verbrannt sind, sind sie ja nicht weg. Wir haben das ja zu Hause am Computer, und es kostet keinen Euro, diese dem Archiv wieder zur Verfügung zu stellen. Aber wenn wir das nicht machen, sind die historischen Dokumente im bosnischen Archiv für immer verschwunden." Scheer leitet das Projekt zusammen mit Kamala Sertovic vom Österreichisches Kooperationsbüro in Wissenschaft, Bildung und Kultur in Sarajevo. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, DER STANDARD, 10.2.2015)