Von Anfang an hat die Weltöffentlichkeit große Stücke von Papst Franziskus gehalten. Er kündigte Reformen an - sowohl in der Kurie als auch in der Lehre. Viele hielten ihn für einen neuen Johannes XIII.

Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Franziskus hält zwar (vor allem Europa, einer Art "Großmutter") den Spiegel vor und übt, ungewöhnlich für einen Papst, an den Würdenträgern in der römischen Kurie heftige Kritik.

Wie sieht die Umsetzung aus? Schlecht. Jüngstes Beispiel: Der deutsche Ex-Bischof Tebartz van Elst, im März des vergangenen Jahres wegen seiner Luxusbauten zum Rücktritt gezwungen, erhielt einen Posten als "Sekretär" für "Neuevangelisierung" in der Kurie. Ein Versorgungsposten, keine Herausforderung für einen Mann, dessen Lebensstil dem des Papstes widerspricht.

Franziskus' jüngste Auslassungen über Kinderpädagogik ("Schlagen ist vertretbar, wenn die Würde des Kindes gewahrt bleibt") sorgen selbst im Vatikan für Aufregung. Diese Ansicht wirke wie ein Rückfall in eine Pädagogik der Gewalt. Der Vorsitzende der "Kinderschutzkommission", der US-Kardinal Patrick O'Malley, erklärte öffentlich, seinem Gremium gehe es nicht nur um die Vermeidung sexuellen Missbrauchs, sondern auch um die Verhinderung "psychischer Misshandlungen". Man werde Franziskus "Ratschläge" übermitteln - was man durchaus als "Watsch'n" interpretieren könnte. Der dem Kapuzinerorden angehörende Erzbischof von Boston hat immerhin um 75 Millionen Euro sein Palais verkauft, um die Schadenersatzforderungen von Opfern seines Vorgängers finanzieren zu können. Die päpstliche Milde gegenüber van Elst dürfte auch ihm sauer aufstoßen.

Länger schon schwelt ein Konflikt zwischen Theologinnen und Franziskus. Bei einer Ordenskonferenz im Frühjahr 2014 in Rom hatte er Äbtissinnen aufgefordert, "gegenüber dem Lehramt gehorsam" zu sein. Inzwischen spitzt sich die Spannung zu. Theologinnen seien bloß "Erdbeeren auf dem Kuchen".

Bei einer Tagung in Rom über "Weibliche Kulturen" Anfang Februar hatte ein vatikanisches Arbeitspapier das Resultat von Schönheits-OPs als "Burka aus Fleisch" bezeichnet. Frauengruppen konterten: "Dämonisierung."

Grundlegender sind wachsende Vorwürfe, der Vatikan tue nichts gegen die Verfolgung von Frauen im mittelamerikanischen Staat El Salvador. Frauen, die abtreiben, sitzen bis zu 20 Jahre im Gefängnis, Frauen, die ein Kind verlieren, ohne abzutreiben, werden trotzdem angeklagt. Kritik ausgelöst hat jetzt auch in Europa der Fall einer kranken Mutter, die den gehirngeschädigten Fötus nicht abtreiben darf. Das Verfassungsgericht hat mit Unterstützung der Kirche so entschieden.

Man könnte durchaus fordern, dass Franziskus die Verwendung von Kondomen erlaubt, wenn die Menschen sich "wie Karnickel" vermehren.Was er jedoch müsste - den Erzbischof von San Salvador nach Rom beordern und mit ihm ein "väterliches Gespräch" führen. Mit einem menschlich vertretbaren Ergebnis für die Mutter.

(Gerfried Sperl, DER STANDARD, 9.2.2015)