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Präsident Wladimir Putin empfing Angela Merkel und François Hollande.

Foto: AP/Klimentyev

Moskau/Berlin - Im Bemühen um eine Deeskalation im Ostukraine-Konflikt soll das vor fünf Monaten vereinbarte und bisher weitgehend ignorierte Friedensabkommen überarbeitet werden. Darauf haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatsoberhaupt Francois Hollande und der russische Präsident Wladimir Putin am Freitagabend bei gut fünfstündigen Krisenberatungen in Moskau verständigt.

Kremlsprecher Dmitri Peskow, Merkels Sprecher Steffen Seibert und Regierungskreise in Paris bezeichneten das Treffen in der russischen Hauptstadt übereinstimmend als "konstruktiv".

Fortsetzung am Sonntag

Laut Seibert wird nun auf Grundlage eines Vorschlags von Merkel und Hollande an einem möglichen gemeinsamen Dokument gearbeitet, das den im September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbarten Friedensplan umsetzen soll. Dabei fließen demnach Vorschläge Putins und des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ein. Details wurden nicht bekannt. Dem Kremlsprecher zufolge sollen die Friedensbemühungen am Sonntag fortgesetzt werden. Dann soll es ein Telefonat von Merkel, Hollande, Putin und Poroschenko geben.

Poroschenko sagte am Samstag, er sei optimistisch über die Erfolgsaussichten eines neuen Friedenskonzepts. Auf die Frage, ob der Vorstoß erfolgreich sein könnte, sagte Poroschenko am Samstag in München "Ja". Er hoffe, dass dies zu mehr Sicherheit in Europa führen werde.

Separatisten: "Immer für Verhandlungen"

Die prorussischen Separatisten im Donbass haben in einer Stellungnahme am Samstag die Friedensinitiative begrüßt. "Wir sind immer für Verhandlungen", sagte Separatistenführer Denis Puschilin der Agentur Interfax. Die Aufständischen hätten die Hoffnung, dass eine mögliche neue Feuerpause halten könne.

Nötig sei dazu ein echter Kontrollmechanismus, sagte Puschilin. Für eine Waffenstillstandslinie müssen aus Sicht der Separatisten auch ihre jüngsten Landgewinne im Kriegsgebiet berücksichtigt werden.

Ukrainische Armee: Separatisten greifen weiter an

Indes haben sich die Separatisten nach Angaben der ukrainischen Armee aber offenbar zu neuen Angriffen auf zwei Städte zusammengezogen. Man gehe von Offensiven gegen den Eisenbahnknotenpunkt Debaltsewe und die Küstenstadt Mariupol aus, sagte ein Militärsprecher am Samstag. Die Rebellen hätten zudem an allen Fronten den Beschuss verstärkt. In den abgelaufenen 24 Stunden seien fünf ukrainische Soldaten getötet und 26 verletzt worden.

Feuerpause erhofft

Der nie umgesetzte Minsker Aktionsplan beinhaltet unter anderem eine Feuerpause zwischen den in der Krisenregion Donbass kämpfenden prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen, den Abzug schwerer Waffen von der Frontlinie und die Schaffung einer entmilitarisierten Zone. Außerdem geht es um den Einsatz von Beobachtern zur Kontrolle der Waffenruhe.

Viele Beobachter in Kiew und in Moskau gehen davon aus, dass es einen Frieden in der Ukraine wohl nur geben kann, wenn es für den russisch geprägten Donbass Zugeständnisse gibt. Im Gespräch sind eine Feuerpause mit einer neuen Waffenstillstandslinie sowie Autonomierechte für die von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete. Russland fordert zudem direkte Verhandlungen der Separatisten mit Kiew. Poroschenko lehnte dies bisher ab.

Merkel hatte kurz vor dem Treffen in Moskau betont, dass sie und Hollande "nicht als neutrale Vermittler" unterwegs seien. "Es geht darum, dass wir unsere Interessen - deutsche, französische, vor allem auch europäische Interessen einbringen", sagte Merkel in Berlin. "Es geht um Frieden, die europäische Friedensordnung und ihre freie Aufrechterhaltung und die freie Selbstbestimmung von Völkern."

EU-Parlamentspräsident: EU langsamer als Russland

Indes hat der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), die Europäische Union zur Geschlossenheit aufgerufen. "Die russische Außenpolitik ist sehr viel schneller, sie schaffen Fakten", sagte Schulz am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Die EU reagiere in der Außenpolitik, in der unter den 28 Mitgliedstaaten das Einstimmigkeitsprinzip gilt, langsamer.

"Ich denke, in naher Zukunft werden die Europäer gemeinsam auftreten und hart gegen Russland auftreten", gab sich Schulz jedoch zuversichtlich. Er lobte zugleich den neuen diplomatischen Vorstoß Merkels und Hollandes. Er sei zwar "eine deutsch-französische Initiative, aber sie handeln für die Europäische Union", sagte er.

Litauens Präsidentin für Waffenlieferungen

Angesichts der eskalierenden Gewalt in der Ostukraine hat sich Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite für Waffenlieferungen des Westens an Kiew ausgesprochen. "Russland führt einen offenen Krieg gegen die Ukraine", sagte Grybauskaite dem "Handelsblatt" vom Samstag. Die Ukraine habe das Recht, sich zu verteidigen.

"Es ist unsere Pflicht, ihr jegliche Unterstützung zukommen zu lassen", sagte Grybauskaite. Die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sorgen sich angesichts des russischen Vorgehens in der Ukraine um ihre eigene Sicherheit.

Die litauische Staatschefin forderte auch schärfere Strafmaßnahmen gegen Moskau. Die geltenden Sanktionen sollten auf Verbündete von Russlands Staatschef Wladimir Putin ausgeweitet werden, Wirtschaftssanktionen der EU verschärft werden, verlangte Grybauskaite. "Wir können nicht unsere Freiheit für unseren kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil verkaufen", sagte sie.

Spannungen nehmen zu

In der umkämpften Ostukraine sind seit April 2014 mehr als 5400 Menschen getötet worden, die Lebensbedingungen sind katastrophal. Die deutsch-französische Vermittlungsinitiative, die Merkel und Hollande am Donnerstag bereits zu Poroschenko nach Kiew geführt hatte, wurde von weiteren Kämpfen im Kriegsgebiet mit zahlreichen Toten überschattet. Die dort zunehmende Gewalt lässt auch die Spannungen zwischen dem Westen und Russland steigen.

Weitgehend im Zeichen der Ukraine-Krise wird am heutigen Samstag die Sicherheitskonferenz in München stehen, zu der Merkel, Poroschenko, US-Vizepräsident Joe Biden und der russische Außenminister Sergej Lawrow erwartet werden. Der einflussreiche republikanische US-Senator John McCain übte am Freitag scharfe Kritik an der deutsch-französischen Initiative und verglich sie mit dem Appeasement gegenüber Nazi-Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg.

Der Oberbefehlshaber der NATO in Europa, US-General Philip Breedlove, sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, der Westen müsse bereit sein "alle zur Verfügung stehenden Instrumente" zur Unterstützung der Führung in Kiew zu nutzen. Außer diplomatischen und wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Russland sollten auch "konventionelle Mittel" nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) signalisierten am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, dass sich Österreich an einer etwaigen Friedensmission in der Ostukraine beteiligen könnte. Klug sagte am Freitag der APA, dass es sich dabei um eine UNO- oder OSZE-Mission handeln könnte. Als "Basis" sei dafür aber die Vereinbarung eines dauerhaften Waffenstillstands erforderlich. Kurz äußerte sich in der ZiB2 des ORF am Abend ähnlich, doch handle es sich derzeit noch um "Zukunftsmusik". Die Initiative von Merkel und Hollande hatte er zuvor im APA-Gespräch als "Grund zur Hoffnung" bezeichnet. (APA, 7.2.2015)