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Jaime Stiusso benutzt zahlreiche Aliasnamen und will sein Bild nicht in der Zeitung sehen. Das Foto zeigt ein angebliches Porträt des Ex-Geheimdienstchefs und wurde vor dem Büro der Staatsanwaltschaft in Buenos Aires aufgenommen, wo Journalisten auf seinen Auftritt warten.

Foto: AP/Rodrigo Abd

Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner hat dem Geheimdienst SIDE in der Nacht auf Freitag befohlen, Antonio Stiusso, den ehemaligen Vorsitzenden der Behörde, seiner amtlichen Schweigepflicht zu entbinden. Der mit Spannung erwarteten Aussage des Ex-Agenten steht damit nichts mehr im Weg – wenn es den Ermittlern gelingt, ihren Zeugen ausfindig zu machen.

Stiusso (in argentinischen Medien mangels Doppel-S oft "Stiuso" geschrieben) gilt als persönlicher Freund und Hauptzuträger des im Jänner unter mysteriösen Umständen verstorbenen Staatsanwalts Alberto Nisman, der die Ermittlungen zu einem Anschlag auf ein jüdisches Kulturzentrum in Buenos Aires führte.

Mehr als hundert Telefone

Die Auswertung der Telefonate Nismans ergab, dass er in den Tagen vor seinem Tod mehrmals eine Mobilnummer anrief, die auf Stiusso angemeldet ist. Allerdings besitzt der Geheimdienstler mehr als hundert Telefone, die er laut seinem Anwalt nicht allein benutzt.

Der Anwalt Stiussos hatte bisher angegeben, sein Mandant könne "nur sehr wenig" zur Aufklärung des Falles beitragen, weil er gesetzlich verpflichtet sei, über seine Tätigkeit im Geheimdienst zu schweigen. Außerdem verlangt der Rechtsvertreter Personenschutz für den Ex-Agenten und die Garantie, dass sein Bild nicht in den Medien erscheint.

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete, Stiusso sei am Donnerstag an seinen drei Meldeadressen nicht anzutreffen gewesen. Präsidentin Kirchners Stabschef Anibal Fernández warf dem Agenten vor, dafür verantwortlich zu sein, dass in der Wohnung des verstorbenen Staatsanwalts ein Entwurf eines Haftbefehls gegen die Präsidentin gefunden wurde.

Die genauen Todesumstände Nismans sind fast drei Wochen nach seinem Tod weiter unklar: Zuerst war von Selbstmord die Rede, an seinen Händen wurden aber keine Schmauchspuren gefunden, was gegen einen Suizid spricht. Nun solle eine weitere Untersuchung mit einem Elektronenmikroskop Klarheit verschaffen, gab die Staatsanwaltschaft bekannt. Ergebnisse werden Ende nächster Woche erwartet.

Geheimdienstkarriere

Stiusso arbeitete seit 1972 für den Gegenspionagedienst des SIDE, der auf Anordnung Kirchners demnächst aufgelöst werden soll. Er diente also schon während der argentinischen Militärdiktatur, die jegliche Opposition brutal unterdrückte. Nach der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1983 bedienten sich zahlreiche Regierungen des Agenten, der als Experte für das Abhören von Telefonaten gilt.

Abgeordnete zeigt Präsidentin an

Indessen hat eine Abgeordnete der Opposition Anzeige gegen Präsidentin Kirchner erstattet. Diese behindere die Ermittlungen nach dem plötzlichen Tod von Staatsanwalt Nisman, ist Parlamentarierin Elisa Carrio überzeugt. Die Anzeige wendet sich auch gegen Generalstaatsanwältin Alejandra Gils Carbo, Armeechef Cesar Milani und andere Beamten.

Nisman war am 19. Jänner tot in seiner Wohnung in Buenos Aires aufgefunden worden - wenige Stunden vor einer geplanten Anhörung im Parlament. Neben seiner Leiche lag eine Pistole. In der Parlamentsanhörung wollte der Staatsanwalt Kirchner vorwerfen, iranische Regierungsangehörige nach einem Anschlag auf die jüdische Wohlfahrtsorganisation Amia mit 85 Toten im Jahr 1994 vor Strafverfolgung zu schützen.

Kirchner hatte nach dem mysteriösen Tod Nismans angekündigt, den Geheimdienst SI aufzulösen und durch eine neue Bundesbehörde unter ihrer Kontrolle zu ersetzen. Die Präsidentin äußerte den Verdacht, dass der Staatsanwalt ermordet wurde, um ihr anschließend eine Vertuschung des Skandals vorwerfen zu können. Aus ihrem Umfeld wurden kürzlich entlassene frühere Mitarbeiter des Geheimdiensts als Tatverdächtige genannt.

Die Parlamentsabgeordnete Carrio erklärte in ihrer am Freitag eingereichten Klage, Kirchner habe ihre Verdächtigungen über eine mögliche Ermordung des Staatsanwaltes vorgebracht, ohne - wie von der Verfassung vorgesehen - formell Klage einzureichen.

Staatsanwälte warnen

Die Staatsanwälte des Landes kündigten unterdessen für den 18. Februar - einen Monat nach Nismans Tod - einen Schweigemarsch zu Ehren ihres toten Kollegen an. Damit wollen sie ihre Forderung nach einer Respektierung ihrer Unabhängigkeit demonstrieren. "Dieser makabre Tod muss uns aufwecken - Nismans Tod ist der erste Fall, aber er könnte nicht der letzte gewesen sein", warnte der Staatsanwalt Carlos Stornelli. (bed, derStandard.at, 6.2.2014, ergänzt mit APA, 7.2.2015)