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Der Druck auf den australischen Premierminister Tony Abbott steigt.

Foto: AP Photo/Rick Rycroft

Australien könnte schon am Dienstag einen neuen Premier haben. Der Abgeordnete Luke Simpkins hat am Freitag angekündigt, beim wöchentlichen Treffen der konservativen Liberalen Partei ein Votum zur Zukunft von Regierungschef Tony Abbott zu fordern. Stimmt die Mehrheit zu, ist die Partei gezwungen, das Amt des Vorsitzenden und damit des Premiers neu auszuschreiben.

Als wahrscheinlichster Herausforderer gilt Kommunikationsminister Malcolm Turnbull. Der ehemalige Goldman-Sachs-Australia-Chef gilt als gemäßigter Liberaler. Im Gegensatz zu Abbott glaubt er an vom Menschen verursachten Klimawandel und ist für Gegenmaßnahmen. Das kostete ihn 2010 den Posten als Parteivorsitzender.

Negativkampagnen

Auf Druck des ultrakonservativen Flügels wurde er durch Abbott ersetzt. Außenministerin Julie Bishop könnte Turnbulls Stellvertreterin werden, hieß es in Canberra. Selbst hatten aber beide bis Freitagabend noch keine Anstalten gemacht, ihren Vorgesetzten herausfordern zu wollen.

Der Druck aus den eigenen Reihen auf den seit September 2013 regierenden Abbott hat zuletzt zugenommen. Die Konservativen hatten die Macht von der zerstrittenen Laborpartei übernommen; nach einer beispiellosen Negativkampagne durch Oppositionschef Abbott.

Einmal im Amt, scheiterten aber mehrere geplante Wirtschaftsreformen am Widerstand der Opposition. Ein Wahlversprechen, das Haushaltsbudget bald in die schwarze Zahlen zurückzuführen, dürfte Abbott wegen eines deutlichen Rückgangs der Steuereinnahmen aus der Rohstoffindustrie nicht einhalten können. Die Zustimmungswerte der Regierungskoalition sind in den letzten Monaten auf 46 Prozent gefallen. Die der oppositionellen Laborpartei sind auf 54 Prozent gestiegen.

Kohle "gut für Menschheit"

Auch im Volk ist der Widerstand gegen die Politik der Regierung stetig gewachsen, die Kritiker mit der US-Tea-Party vergleichen. Beliebt ist zwar Abbotts unnachgiebige Haltung gegenüber asylsuchenden Bootsflüchtlingen. Sie werden in Lager auf Papua-Neuguinea und Nauru deportiert. Hingegen war der Plan, gegen den Widerstand der Ärzteverbände einen Selbstbehalt für jeden Hausarztbesuch einzuführen, ein dramatischer Misserfolg.

Die Maßnahme wurde als erster Schritt einer Demontage des Gesundheitsversorgungssystems gewertet. Sozialverbände meinen, auch andere von der Regierung geplante Schritte zu mehr "Selbstverantwortung" des Bürgers würden ebenfalls vor allem untere Einkommensschichten treffen.

Klimawissenschaften seien bloß "Scheiße"

Auf Kritik stößt Abbotts Zweifel an der Existenz der vom Menschen verursachten Klimaerwärmung. Klimawissenschaften hatte er einst als "Scheiße" bezeichnet. Im Vorfeld des jüngsten G-20-Gipfels in Brisbane meinte er, der schadstoffreiche Brennstoff Kohle - ein Exportprodukt Australiens - sei "gut für die Menschheit". Eine von der Vorgängerregierung beschlossene Klimasteuer wurde ersatzlos gestrichen.

Für viele seiner Kollegen überspannte Abbott den Bogen der Toleranz, als er am jüngsten Nationalfeiertag ohne jegliche Konsultation Prinz Philip zum Ritter ernannte. Abbott, gebürtiger Brite, ist strikter Monarchist und lehnt jegliches Bestreben Australiens ab, eine Republik zu werden. (Urs Wälterlin aus Canberra, DER STANDARD, 7.2.2015)