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Angela Merkel und François Hollande zu Besuch bei Petro Poroschenko.

Foto: AP/Lazarenko

Kiew/Moskau – Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande setzen am Freitag ihren Vermittlungsversuch in der Ukraine-Krise mit einem Besuch in Russland fort. Wie der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert der Deutschen Presse-Agentur sagte, reist Merkel zuversichtlich zu dem Treffen mit Präsident Wladimir Putin nach Moskau, es sei aber "völlig offen, ob es uns gelingt, eine Waffenruhe zu erreichen".

Treffen mit Poroschenko in Kiew

Merkel und Hollande hatten zuvor in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gesprochen. Dieser teilte anschließend mit, er betrachte die deutsch-französische Initiative hoffnungsvoll. Die drei Spitzenpolitiker riefen Russland zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ostukraine auf. Dort sind seit April mehr als 5.400 Menschen getötet worden, zuletzt hatte sich die Lage wieder verschlimmert. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die Lage zuletzt als "brandgefährlich".

"Alle wollen den Frieden und gehen davon aus, dass Russland ihn auch will", sagte Seibert am Donnerstagabend nach dem Dreiertreffen in Kiew. Die Politiker hätten umfassend und konstruktiv über die Lösung des Konflikts beraten. Ausgangspunkt sei das Friedensabkommen von Minsk. Einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", wonach der neue Vorschlag den Separatisten ein viel größeres Territorium als bisher vorgesehen zugestehe, hatte die deutsche Regierung zuvor dementiert.

Gebrochener Waffenstillstand

Im September hatten sich die Konfliktparteien in Minsk auf einen Aktionsplan geeinigt. Darin ist unter anderem ein Waffenstillstand vereinbart, gegen den seit Monaten sowohl die Separatisten als auch ukrainische Truppen in den umkämpften Gebieten verstoßen. Am Freitag wurde abermals ein eintägiger Waffenstillstand rund um die umkämpfte Stadt Debalzewo ausgerufen, während dem Zivilisten aus der Gegend in Sicherheit gebracht werden sollen. Die Separatisten vermeldeten über ihre Nachrichtenagentur, die Feuerpause solle von 9.00 bis 16.00 Uhr MEZ gelten.

Nach Angaben von US-Außenminister John Kerry legte auch Putin neue Vorschläge zur Krisenlösung vor. Putin habe seinen Vorstoß vor seinem Treffen mit Merkel übermittelt, sagte Kerry am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk in Kiew. "Die territoriale Integrität der Ukraine steht aber nicht zur Diskussion."

Heutige Frontlinie

Als entscheidendes Problem für den Neustart der Friedensgespräche war nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus deutschen Regierungskreisen angesehen worden, dass die derzeitige Frontlinie nicht mehr mit der in Minsk vereinbarten übereinstimmt. Eine Idee war, dass ein neuer Anlauf für einen Waffenstillstand von der jetzigen Frontlinie ausgehen sollte, heißt es. Die ukrainische Seite müsste dazu für den Beginn der Gespräche zunächst akzeptieren, dass die Separatisten mehrere hundert Quadratkilometer mehr kontrollieren als in Minsk verabredet – ohne dass die Ukraine aber ihren Anspruch auf diese Gebiete als Teil es ukrainischen Staaten aufgeben würde. Denn Ziel des Friedensprozesses solle ja die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine sein, hieß es in den Regierungskreisen.

Obama entscheidet über Waffenlieferung an Ukraine

Kerry sagte nach einem Treffen mit Poroschenko, die USA strebten eine diplomatische Lösung an. Allerdings erklärte er auch, US-Präsident Barack Obama werde schon bald eine Entscheidung über Waffenlieferungen an die Ukraine treffen.

Die Zeitung "Die Welt" berichtete am Freitag, in hohen EU-Diplomatenkreisen werde davon ausgegangen, dass die US-Regierung mit Waffenlieferungen an Kiew beginnen werde, sollte Merkels und Hollandes Initiative scheitern sowie die Kämpfe mit unverminderter Härte weitergehen. Dann "werden die Amerikaner wohl defensive Waffen wie Panzerabwehrraketen und Artillerieradar an die Ukraine liefern", schrieb das Blatt unter Berufung auf EU-Diplomaten, die mit den Ukraine-Verhandlungen vertraut sind. Russland hat die USA vor einem solchen Schritt gewarnt. Moskau wird eine materielle Unterstützung der Aufständischen in der Ostukraine vorgeworfen. Der Kreml weist das zurück.

Merkel am Montag in Washington

Der Sprecher von US-Präsident Obama, Josh Earnest, betonte, bei der Diskussion über Waffenlieferungen wolle man sich eng mit Deutschland abstimmen. Merkels Meinung "bedeute dem Präsidenten eine ganze Menge". Obama empfängt Merkel am Montag in Washington.

US-Senator John McCain hat die Kanzlerin wegen ihrer Ablehnung von Waffenlieferungen scharf angegriffen. "Ihr Verhalten erinnert mich an die Politik der 30er-Jahre", sagte er laut einer Vorabmeldung vom Freitag in einem Interview für die ZDF-Sendung "Berlin direkt" und verglich Merkels Krisen-Politik damit mit der Appeasement-Politik gegenüber Nazi-Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg. "Wenn man sich die Haltung der deutschen Regierung anschaut, könnte man meinen, sie hat keine Ahnung oder es ist ihr egal, dass Menschen in der Ukraine abgeschlachtet werden", so McCain.

Poroschenko drängte die NATO-Staaten, der Ukraine "moderne Waffen zum Schutz und der Gegenwehr gegen den Aggressor" zur Verfügung zu stellen. Um den Frieden zu verteidigen, sei eine starke Armee notwendig, sagte er der "Welt". Beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel lehnten allerdings Ressortchefs aus mehreren EU-Staaten eine Unterstützung der ukrainischen Regierung mit Waffen ab. Nach Ansicht der lettischen EU-Ratspräsidentschaft sollte jeder Mitgliedsstaat angesichts der Eskalation des Konflikts selbst über Waffenlieferungen entscheiden.

EU beschließt neue Sanktionen

Die EU-Außenminister werden indes weitere Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise beschließen. Wie es im Vorfeld des Treffens in EU-Ratskreisen hieß, werden 19 Personen und neun Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden. Für sie gelten Einreise- und Vermögenssperren. Am kommenden Donnerstag berät der informelle EU-Gipfel über die Ukraine-Krise.

Auch bei der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz dürfte sich alles um die Ukraine-Krise drehen. (APA, 6.2.2015)