Salzburg - Der deutsche Suhrkamp Verlag blockiert erneut Lesungen und Theaterproduktionen von Werken Thomas Bernhards in Salzburg. Wie Tomas Friedmann, Leiter des Salzburger Literaturhauses, bekannt gab, habe Suhrkamp ohne Angaben von Gründen eine für Donnerstag geplante Lesung von Schauspieler Franz Froschauer mit Kommentaren von Literaturwissenschaftler Manfred Mittermayer schriftlich untersagt.

Dies habe offenbar Methode, so Friedmann in einer Aussendung: Das Cineteatro von Charly Rabanser in Neukirchen am Großvenediger sowie das Schauspielhaus Salzburg (Produktionsplan "Der Theatermacher" in der Spielzeit 2015/2016) haben Absagen von Suhrkamp bzw. von Nachlassverwalter und Bernhard-Halbbruder Peter Fabjan bekommen. Auch Volksschauspielerin Julia Gschnitzer wurde eine Lesung in Henndorf am Wallersee vor wenigen Monaten untersagt. Dies obwohl die Salzburger Festspiele als auch das Landestheater dasselbe Stück produziert hatten und das Werk Bernhards in Salzburg vielfältig gepflegt wird.

Im Gespräch sagte Friedmann: "Nachlassverwalter Peter Fabjan und Suhrkamp-Vorstandsmitglied Raimund Fellinger schieben sich die Verantwortung dafür gegenseitig in der Schuhe. Hier geht es um Willkür und darum, Einfluss und Macht über Bernhards Werk nicht aus der Hand zu geben. Und zwar ausgerechnet von jenen, die die notarielle Verfügung des Autors, dass seine Werke 70 Jahre lang in Österreich in keiner Form aufgeführt werden dürfen, seit Bernhards Tod ignorieren." Fabjan habe die Organisatoren der "Theatermacher"-Lesung an den Verlag verwiesen, weil dort die Entscheidung getroffen werden müsse. Fellinger wiederum mailte, die Ablehnung "im Auftrag Fabjans" verfügt zu haben, wie Friedmann kopfschüttelnd festhielt.

Autobiografische Texte als Ersatzprogramm

Es sei unverständlich, warum diesem Schriftsteller von Weltrang gerade in dieser Stadt so viele Prügel zwischen die Füße geworfen werden: "Wir haben eine Lesung mit Franz Froschauer, der in der Paderborner Bühnenproduktion von Bernhards 'Der Theatermacher' die Hauptrolle spielte, organisiert, ergänzt mit Kommentaren des ausgewiesenen Bernhard-Experten Manfred Mittermayer. Diese Lesung wird so also nicht stattfinden dürfen." Stattdessen wird Franz Froschauer heute aus autobiografischen Texten lesen (die Rechte für diese Texte sind vom Residenz bzw. Sessler Verlag nach Zustimmung Fabjans genehmigt, Anm.).

Ob abends im Literaturhaus auch aus "Der Theatermacher" gelesen wird, lässt Friedmann offen. "Immerhin wollen wir die Diskussion führen, wie mit dem Werk eines Autors umzugehen ist, der sich von nichts und niemandem vereinnahmen lassen wollte. Auch der österreichische Kulturminister Josef Ostermayer ist zu einer klärenden Positionierung eingeladen." Immerhin werde das Anfang des Jahres von Gmunden nach Wien übersiedelte Thomas Bernhard-Archiv sowie die Thomas Bernhard-Stiftung mit Sitz in Wien mit Steuergeld finanziert und habe die Aufgabe, die Verbreitung von Bernhards Werk zu fördern und nicht zu verhindern. Auch Stadt und Land Salzburg, die die hier ansässige Bernhard-Gesellschaft subventionieren, mögen sich überlegen, ob dem Autor gegenwärtig gut getan wird.

"Inakzeptabler Umgang"

Friedmann kündigte außerdem an, dass am Donnerstag die letzte Bernhard-Lesung im Salzburger Literaturhaus für lange Zeit stattfinden werde. Das sei kein Boykott, sondern eine Haltung gegenüber willkürlichen Verboten und dem "inakzeptablen Umgang" mit dem Werk Bernhards. "Wir respektieren damit auch Thomas Bernhards Testament, dass bis zum Jahr 2059 in Österreich keine Texte zur Aufführung gebracht oder vorgetragen werden dürfen."

Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen erklärte sich in einem offenen Brief solidarisch mit dem Salzburger Literaturhaus. "Es ist absurd, einem Literaturveranstalter, der sich jahrelang verdient um Thomas Bernhard gemacht hat, begründungslos das Recht zum öffentlichen Vortrag zu entziehen. Wohlgemerkt, es geht nicht um eine Aufführung oder Bearbeitung eines Thomas-Bernhard-Textes, es geht auch nicht um ein erwartbares indiskutables Präsentationsniveau, es geht vielmehr um eine vielfach erprobte Präsentationsform mit höchst-professioneller Beteiligung, die hier verhindert werden soll", so Ruiss.