Der Artikel erschien in der Ausgabe 11/2014.

Foto: Datum

Wien – Das Monatsmagazin "Datum" ist nach kritischen Berichten über gefälschte Postings in Web-Foren mit Anzeigenstornos konfrontiert. Die Zeitschrift veröffentlichte im Herbst Recherchen, wonach die PR-Agentur Modern Mind Marketing für mehrere Unternehmen wie ÖBB und Bank Austria sowie die Wiener ÖVP positive PR-Postings verfasst hatte – derStandard.at berichtete darüber. Laut "Wirtschaftsblatt" hat das nun finanzielle Konsequenzen für "Datum".

"Drei große Unternehmen haben Anzeigen zurückgezogen und gebuchte Aufträge storniert", sagte "Datum"-Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner dem "Wirtschaftsblatt", ohne diese Firmen beim Namen zu nennen. Die drei oben genannten Unternehmen distanzierten sich bereits von der Praxis, sie hätten jedenfalls keine Inserate storniert.

Laut "Datum" seien fixe Vereinbarungen nicht eingehalten worden, ohne das zu kommentieren, und Anzeigen seien in einem "spürbaren Ausmaß" storniert worden. Darüber hinaus habe es während der Recherchen auch direkte Interventionen gegeben, von denen man sich aber nicht habe einschüchtern lassen. Anwaltsdrohungen seien bisher ohne konkrete Folgen geblieben.

Handelskette übte Druck aus

Das "Wirtschaftblatt" berichtet daneben von einem weiteren Fall, bei dem "eine große österreichische Handelskette unlängst dermaßen Druck auf eines der großen österreichischen Wirtschaftsnachrichtenmagazine ausgeübt hat, dass dieses eine geplante Geschichte über die Handelskette eingestampft hat". Die für den Bereich zuständige Redakteurin "darf nun nichts Kritisches mehr über das Unternehmen schreiben".

Der Entzug von Anzeigen als Druckmittel gegen kritische und für wohlwollende Berichterstattung ist in Österreich keine Seltenheit. Als etwa das Wochenmagazin "News" im Herbst 2013 über angeblich illegale Parteispenden bei der ÖVP berichtet hatte, stoppte die Partei mitten im Nationalratswahlkampf ihre Anzeigenaufträge bei "News". Bei den öffentlich bekannt gewordenen Fällen dürfte es sich freilich nur um die Spitze des Eisbergs handeln. Medienmacher berichten off records immer wieder von Drohungen mit Anzeigenentzug, sei es aus der Politik oder – wie im aktuellen Fall – von Wirtschaftsunternehmen.

"Trennungsgrundsatz" kaum exekutiert

Kritik an dieser Vorgangsweise kommt vom PR-Ethik-Rat, einem Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der in Österreich tätigen PR-Fachleute. Dort hält man Anzeigenstornos als Revanche für kritische Berichte für bedenklich. "Die Methode an sich, kritische Berichterstattung mit 'Anzeigen-Entzug' zu bestrafen, sehe ich als überkommen und unprofessionell an", sagte Brigitte Mühlbauer, stellvertretende Vorsitzende des PR-Ethikrats, dem "Wirtschaftsblatt". "Anzeigenschaltungen dürfen nicht mit redaktionellen Inhalten verquickt oder gar mit wohlwollender Berichterstattung junktimiert werden", so Mühlbauer unter Verweis auf den in verschiedenen Ethik-Kodizes verankerten "Trennungsgrundsatz".

Der PR-Ethikrat hat dazu erst vor kurzem das Memorandum "PR-Ethik unter den Bedingungen des Medienwandels" veröffentlicht. Darin ist von "immer brisanter werdenden kritischen Erscheinungen in der gesamten Kommunikationsbranche" die Rede. Diese "Erscheinungen" seien dabei, "eine alles Vertrauen der Mediengesellschaft zerstörende Kraft anzunehmen, wovon vor allem der Journalismus und die Öffentlichkeitsarbeit in allen Medien betroffen sind". Im Interview mit dem STANDARD kritisierte Wolfgang R. Langenbucher, der sechs Jahre an der Spitze des PR-Ethikrats stand, dass der "Trennungsgrundsatz" zwar im Mediengesetz verankert sei, de jure aber aufgrund der Untätigkeit der Justiz kaum exekutiert werde. (APA, red, 5.2.2015)