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Alexis Tsipras besucht Matteo Renzi.

Foto: AP/Lami

An der gemeinsamen Pressekonferenz nach ihrem rund einstündigen Gespräch zeigten sich Matteo Renzi und Alexis Tsipras entspannt und locker; es war offensichtlich, dass sich die beiden 40-jährigen Politiker auf der persönlichen Ebene bestens verstanden haben. Zum Schluss überreichte Renzi seinem Gast eine Krawatte in den Farben der vor kurzem zu Ende gegangenen italienischen EU-Ratspräsidentschaft: Tsipras habe ja angekündigt, dass er erst eine solche umbinden werde, wenn Griechenland die Krise überwunden habe. Italien werde die neue griechische Regierung auf diesem Weg unterstützen, so gut es dies könne. Und so beginne er, Renzi, schon einmal mit der Krawatte.

Bei den Gesprächen zwischen Renzi und Tsipras in Rom trafen gestern nicht nur zwei ähnliche Politikertypen zusammen, sondern auch die beiden größten Schuldner Europas: Italiens Staatsschuld hält den Rekord in absoluten Zahlen, Griechenlands Schulden wiederum sind in Relation zum Bruttosozialprodukt (BSP) an der Spitze. In Zahlen: Italien ist mit 2200 Milliarden Euro verschuldet, was 132 Prozent des BSP (und einem Viertel der gesamten Eurozone) entspricht, Griechenlands Schulden betragen 320 Milliarden bzw. 176 Prozent des BSP. Die Obergrenze für die Staatsverschuldung gemäß Maastricht-Vertrag läge theoretisch bei maximal 60 Prozent des BSP.

"Wende für das Wachstum"

Zum großen Schulterschluss der Schuldenkönige ist es in Rom aber nicht gekommen. Renzi erklärte, dass er zwar mit Tsipras einig sei, dass es in Europa zu einer "Wende für das Wachstum" kommen müsse; schon während der italienischen EU-Ratspräsidentschaft hatte er sich dafür ausgeprochen, die starren Sparvorgaben etwas zu lockern und Investitionen von den Defizitberechnungen auszunehmen. Sein Motto lautete "Flexibilität gegen Reformen". In diesem Sinn mahnte er Tsipras, dass "das Heil nicht von außen kommt": Wie Italien brauche auch Griechenland strukturelle Reformen, gleichzeitig müssten die Korruption und die Steuerflucht bekämpft werden. "Das tun wir nicht für die EU oder die Troika, das tun wir für unsere Bürger – punkt", betonte der italienische Regierungschef.

Tsipras wiederum gab sich in Rom wie schon in den letzten Tagen deutlich weniger radikal als direkt nach seinem Wahlsieg. Er bekräftigte, dass die von der Troika verordnete Austeritätspolitik in ein "soziales Drama" geführt und sämtliche wirtschaftlichen Indikatoren verschlechtert habe. Von einem einseitigen Schuldenschnitt war aber auch in Rom nicht mehr die Rede; Tsipras erklärte lediglich, Griechenland brauche bezüglich der Schuldenreduktion "mehr Zeit" und eine Ablösung der alten Schulden durch neue Darlehen mit anderen Konditionen. Renzi ging darauf nicht ein und stellte klar, dass "in dieser Frage eine Lösung auf europäischer Ebene gefunden werden muss". Ähnlich tönte es in einem Communiqué des Finanzministeriums nach einem Gespräch der beiden Finanzminister Pier Carlo Padoan und Giannis Varoufakis.

Dass sich Renzi nicht mit seinem griechischen "Zwilling" Tsipras verbrüdert hat, vermag nur auf den zweiten Blick zu erstaunen. Renzi ist alles andere als linksradikal: Er stammt aus einem christdemokratischen Haus und hat in den letzten Monaten lauter Reformen präsentiert, die auch von einer bürgerlichen Regierung hätten stammen können. Vorallem aber ist Renzi ein pragmatischer Politiker: Er weiß, dass zur Erreichung der von ihm angestrebten Flexibilität die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr viel wertvoller ist, als es ein Pakt mit Athen je sein könnte. Renzi hat am Sonntag vor dem Treffen mit Tsipras und Varoufakis denn auch in Berlin angerufen, um sich mit Merkel abzustimmen.

Der italienische Premier hat auch noch einen anderen, durchaus handfesten Grund, sich von der radikalen griechischen Anti-Troika-Rhetorik abzugrenzen: Erstens hat Griechenland auch bei Italien Schulden – mit 40 Milliarden Euro ist Italien der drittgrößte Griechenland-Gläubiger nach Deutschland und Frankreich. Und mit seinem eigenen, gigantischen Schuldenberg kann es sich die italienische Regierung nicht leisten, mit unvorsichtigen Äußerungen die Finanzmärkte zu verunsichern. Sonst wäre es mit den historisch tiefen Zinsen für Italien möglicherweise sehr bald vorbei. (Dominik Straub, DER STANDARD, 3.2.2015)