Die wechselseitigen Völkermordklagen von Kroatien und Serbien wurden endlich ad acta gelegt. Sie waren von Beginn an nicht dazu da, um aufzuklären, sondern aufzurechnen. Denn jeder wusste, dass sie rechtlich nicht erfolgreich sein konnten. Deshalb muss man sich eigentlich fragen, weshalb so viele Gelegenheiten verpasst wurden, die Klagen zurückzuziehen und sich mit den Dämonen der eigenen Vergangenheit wirklich zu konfrontieren. In Kroatien wie in Serbien fehlte der Mut dazu. Man wollte lieber nationalistische Gefühle immer wieder aufladen als die Fakten anerkennen. Das historische Versäumnis der Aussöhnung hat tagespolitische Auswirkungen.

Denn es ist nicht zu erwarten, dass der politische Wille in nächster Zeit aufgebracht werden wird, endlich das Erinnern nicht mehr als eine Art Aufrechnungskrieg zu führen. So hat bereits der Freispruch für den kroatischen Exgeneral Ante Gotovina im Jahr 2012 dazu geführt, dass sich das Verhältnis zu Serbien verschlechtert hat.

Vom serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic, einem ehemaligen Tschetnik, ist eine ehrlich gemeinte politische Aufarbeitung der Verbrechen in den 1990ern nicht zu erwarten. Und auch in Kroatien geht man auf Abwehr. Der Analyst Davor Gjenero erwartet eine "sture Haltung" und ein "Einfrieren der Beziehungen". Dazu passt, dass Nikolic nicht einmal zur Amtseinführung der neuen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic nach Zagreb kommen wird. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 4.2.2015)