Der Wahlsieg von Alexis Tsipras wurde nicht nur von linken, sondern auch von extrem rechten Parteien in Europa begrüßt. Marine Le Pen vom Front National nannte das "eine gigantische demokratische Ohrfeige für die EU" , die italienische Lega Nord sprach ebenfalls von einer Ohrfeige für die "europäische Sowjetunion", die britische Anti-EU-Partei Ukip jubilierte, die nationalkonservative deutsche AfD gleichfalls.

Die Rechten wittern in Syriza, "dem Zusammenschluss der radikalen Linken" mit kommunistischen, trotzkistischen, maoistischen Wurzeln eine geistige Verwandtschaft im Hass gegen das Prinzip EU.

Die EU ist ein Staatenverbund, der auf freiwilliger Basis zustandegekommen ist und eine sehr komplizierte Entscheidungsbildung hat. Diese beruht jedoch auf Verhandlungen, Diskussionen, demokratischem Interessenausgleich, einem "give and take" und einer ständigen Überprüfung der eigenen Standpunkte. Sie ist im besten Sinn liberal.

Das hat damit zu tun, dass die EU von traditionellen demokratischen Mitte-Parteien gegründet und geführt wurde, den Christdemokraten, den Sozialdemokraten und den klassischen Liberalen. Die EU entstand aus der Erkenntnis, dass die Unversöhnlichkeit, der Radikalismus, dass totalitäre, heilsgewisse Ideologien zu den beiden größten Kata-strophen des 20. Jahrhunderts geführt haben, der Herrschaft von Nationalsozialismus und Kommunismus.

Seither sind wieder Parteien entstanden - links wie rechts -, die eine absolute Heilsbotschaft zu verkünden haben. Sie sind antiliberal. Man kann weder den Front National oder die FPÖ mit den Nazis noch Syriza oder die Linke in Deutschland mit den Kommunisten vergleichen. Aber sowohl die extreme Rechte wie die extreme Linke sind absolute, in ihren Zielen und Methoden eindimensionale, kompromissunfähige Parteien. Sie können im Grunde andere nicht leben lassen. Sie sind autoritär und wähnen sich im Besitz der letzten Wahrheit und Heilsgewissheit.

Die nationalistische Rechte hasst alles Transnationale, stellt die völkische "Reinheit" in den Vordergrund und glaubt an eine autoritäre Herrschaft, geschickt gesteuert durch plebiszitäre Elemente. Sie vertritt eine Art nationalen Sozialismus: Der Staat soll Wohltaten an den "kleinen Mann" verteilen, aber nur an den mit dem richtigen Blut.

Die radikale Linke ist internationalistischer ausgerichtet, glaubt aber ebenfalls an autoritäre Herrschaft als Mittel zum übergeordneten Zweck. Der Staat soll überall Zugriffsrechte haben. Für die "richtige" Umverteilung sorgen Funktionäre, die man "Gerechtigkeitsbeauftragte" nennen könnte. Es geht um das "Wohl des Volkes", der Funktionär entscheidet, wer das Volk und was das Wohl ist.

Die EU ist die exakte Antithese zu den verengten Geistern von rechts und links außen. Übrigens auch zur völkischen, autoritären Herrschaft von Putins Russland. Deshalb finden Le Pen, H.-C. Strache, der Syriza-Außenminister Niko Kotzias (Ex-Kommunist) und Panos Kammenos, der rechte griechische Verteidigungsminister, Putin so toll. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 4.2.2015)