Dornbirn – Wenn im Namen Gottes Terroranschläge verübt werden, müsse man sich das Unheilige in den heiligen Schriften genauer anschauen, sagte man sich im EthikCenter der Diözese Feldkirch. So war der monatliche gesellschaftspolitische Stammtisch am Montag dem Islam und seiner vermeintlichen Gewaltbereitschaft gewidmet.

Das Interesse war groß, die Enttäuschung bei einigen Islamgegnern auch. Denn der islamische Theologe Zekirija Sejdini zeichnete ein differenziertes Bild seiner Religion und forderte zu Reformen auf. Zudem verwies Ursula Rapp, die Islambeauftragte der Diözese, auf diskussionsbedürftige Gewalttexte in den christlichen Schriften. Deren Tabuisierung sei kontraproduktiv: "Gewalt muss thematisiert werden, damit Gewalt nicht das letzte Wort hat."

Was tun, wenn Jugendliche die Religion als Legitimation für Gewalt hernehmen? Jugendarbeiter Nino Kaufmann sieht zwar das Problem der Radikalisierung, die Mehrheit der Jugendlichen, – egal welcher Konfession –, habe aber null Interesse an Religion.

Bei Jugendlichen mit Tendenz zu Extremismus motiviere die offene Jugendarbeit zu gewaltlosen Lösungen und versuche das Interesse an Demokratie zu wecken. "Wenn wir nicht mehr weiterwissen, suchen wir Experten."

Islam im Wandel

Geht es um Deradikalisierung, sind die Experten aber schwer zu finden. Zwei bis drei gebe es österreichweit, sagt Zekirija Sejdini, die versuchten, die Herausforderung anzunehmen.

"Radikalisierte Jugendliche suchen nach Eindeutigkeit, nach klaren Antworten", sagt Sejdini und laufen so Gefahr, Rückwärtsgewandten ins Netz zu gehen, die den Koran missbrauchen. "Der Koran ist aber nicht eindeutig. Wir sind herausgefordert, die Pluralitätsfähigkeit unserer Schüler zu fördern", sagt der Professor für Religionspädagogik. Der Koran sei nicht eindeutig, müsse im historischen und aktuellen Kontext gesehen werden.

"Es ist die Verpflichtung aller Muslime, den Koran immer wieder neu zu interpretieren", fordert der Islamgelehrte moderne Deutung der Schriften. Dabei gehe es nicht darum, den Islam neu zu erfinden, sondern "um ein zeitgemäßes Theologieverständnis, das sich von Gewalt distanziert".

Diese Aufgabe müsse von den Muslimen in Europa angenommen werden, von hier könne Veränderung ihren Lauf nehmen. In Österreich tätige Imame, die im Ausland ausgebildet wurden, können keinen echten Beitrag zur Veränderung leisten, sagte Sejdini zum Standard. "Sie kommen aus einem vollkommen anderen Kontext. Deshalb ist die Ausbildung der Imame hier in Österreich, wie es im neuen Islamgesetz gefordert wird, so wichtig." (Jutta Berger, derStandard.at, 4.2.2015)