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Blick von der Freyung zur Strauchgasse am Montagabend.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

Wien - Mehrere STANDARD-Redakteure berichteten am Montag vor Ort vom Pegida-Spaziergang und der vom Bündnis "Offensive gegen Rechts" veranstalteten Gegendemonstration in Wien.

Auf der Freyung in der Innenstadt wurden sie mit Teilnehmern einer unangemeldeten Gegendemonstration und mehreren Kollegen anderer Medien ohne die Möglichkeit, den Platz zu verlassen, eingekesselt. Was auf Twitter bald "Pressekessel" genannt wurde, bestätigte am Dienstag auch die Polizei – und verteidigte das Vorgehen. Das sei nicht zu vermeiden gewesen, "ich war ja selber drinnen", sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger.

Noch am Montag twitterte die Landespolizeidirektion Wien, dass die Fälle – wie sich zeigen sollte: mit physischem Nachdruck – abgeführter Journalisten individuell abgeklärt werden.

Für diese Evaluation hat STANDARD-Redakteur Michael Matzenberger ein Gedächtnisprotokoll des Abends verfasst, das nun auch an dieser Stelle veröffentlicht wird.

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Es lief alles in geordneten Bahnen, als ich gegen 18.30 Uhr an der Ecke Kärntner Straße und Singerstraße ankam und die Demonstration gegen Pegida kurz vor ihrem Ziel, dem Stephansplatz war. Ich schickte meine Eindrücke für den Liveticker per Mail in die Redaktion. Offenbar um zu verhindern, dass Gegendemonstranten den Weg zur Pegida-Demo auf der Freyung finden, riegelte die Polizei den Graben vor dem Cafe de l'Europe mit Autos und Einsatzkräften ab. Nur kurz später wurde die Sperre aufgehoben und weiter hinten am Graben, vor der Habsburgergasse, neu aufgezogen.

Anrainer und Passanten diskutierten dort gegen 18.50 Uhr leidenschaftlich mit Beamten in der Sperrkette, ob sie sie passieren dürften. Es blieb ihnen vorerst versagt. Auf der anderen Seite der Habsburgergasse – aus meiner Perspektive nordwestlich Richtung Kohlmarkt – bildete die Polizei eine zweite Sperrlinie.

Durchgangsverbot aktiviert

Wenige Minuten später durften die Passanten, offenbar auf Anweisung der Einsatzleitung, die bei der Pestsäule gelegene Sperre doch passieren und kletterten durch die Öffnungen der Gitter. Um gegebenfalls aus dieser kurzfristig geöffneten Verbotszone zu berichten, stieg auch ich durch die Gitter, kurz bevor mehrere hundert Demonstranten über den Graben heranschritten und das Durchgangsverbot wieder aktiviert wurde.

Gegen 19.20 Uhr, die Demonstranten hatten sich großteils wieder Richtung Stephansplatz entfernt, wurden die Beamten der nördlichen Kette abgezogen und die Gitter provisorisch zur Seite geräumt. Gemeinsam mit meiner Kollegin Maria von Usslar, die mittlerweile zu mir gestoßen war, ging ich über Graben, Tuchlauben, Bognergasse, Am Hof und Heidenschuß zur Ecke Tiefer Graben und Freyung.

Dort bildete die Polizei eine erste Kette quer über die Straße am südöstlichen Ende der Freyung und parallel dazu eine zweite etwa 20 bis 30 Meter weiter, kurz vor der Einfahrt in die Renngasse. Diese zweite Linie trennte die Pegida-Anhänger und etwa 200 bis 300 Gegendemonstranten.

In diesem Bereich zwischen den Polizistenketten befand sich – wie mehrere große Kameras, Lichtequipment, Mikrofone und Stative verrieten – offenbar auch eine unbekannte Zahl an Journalisten. Wir fragten um etwa 19.40 Uhr einen Polizisten in der Linie, ob auch wir passieren dürften. Wir durften. Ab diesem Zeitpunkt hielten wir uns an der Kreuzung Freyung und Tiefer Graben auf, direkt an der Gebäudeecke des Bank-Austria-Kunstforums und unmittelbar vor den Polizisten der Sperrkette.

Freyung Richtung Am Hof.

Schon wenige Minuten später bemerkte ich, dass die Leute aus diesem Bereich nicht mehr hinausdurften. Eine Kollegin von oe24.at bat einen Polizisten ebenso eindringlich wie vergeblich, sie müsse in die Redaktion, um aufgenommenes Material zu schneiden. Ein junges Paar forderte ebenfalls Auslass, den ihm die Polizisten untersagten. Ich fragte die Beamten, mit welcher Rechtsverbindlichkeit sie uns hier festhielten. Ich musste mich mit der Referenz auf den Einsatzleiter begnügen. Wir filmten, fotografierten und gaben die Eindrücke von unserem Standort weiterhin an die Redaktion durch.

Kurz nach 20 Uhr erreichte uns die Meldung, dass die Veranstaltung polizeilich beendet wurde und wir uns vom Ort des Geschehens entfernen sollen. Ich fragte die Polizisten an der Gebäudeecke erneut, ob wir nun gehen dürften. "Hier nicht, gehen Sie zum Einsatzleiter." Wir schritten also die Reihe an Polizisten ab, fragten mehrfach nach dem Befehlsgeber. Gleichzeitig telefonierte ich mit meiner Ressortleiterin, laut Telefonprotokoll war es 20.25 Uhr. Am anderen Ende der Polizistenkette angekommen, stand ein Mann vor mir, den plötzlich zwei Beamten bei beiden Armen packten und abführten.

Presseausweis gegen Einsatzausrüstung

Im nächsten Moment ergriffen zwei behelmte Polizisten auch mich an den Armen und brachten mich zu einem Polizeibus am Beginn der Strauchgasse. Ich leistete keinen Widerstand, forderte nur Kollegin von Usslar auf mitzufilmen und fragte, was mir vorgeworfen werde. Ich konnte es akustisch nur undeutlich wahrnehmen, glaube aber, mich an "Sprengung" oder "Störung einer Versammlung" zu erinnern.

derstandard.at/von usslar

Der Aufforderung mich auszuweisen kam ich nach und gab meinen Presseausweis ab. Kollegin von Usslar tat dasselbe, während sie sich mit der Vorderseite unmittelbar gegen den Polizeibus lehnen musste.

Nach Aufnahme der Daten nahm ich den Ausweis mit der rechten Hand entgegen, in der linken hielt ich noch meine Geldbörse, aus der ich ihn zuvor gezogen hatte. Mir wurde keine Zeit gelassen, den Ausweis zurück in die Börse zu stecken, ich war wieder in der Gewalt zweier Polizisten in Einsatzausrüstung.

Am linken Arm wurde ich ohne gröberen Druck festgehalten. Der Beamte am rechten Arm aber drückte mit seiner linken Hand meinen Unterarm am Ellbogen nach vorne und gleichzeitig mit seiner rechten meine Hand bis zum Gelenkanschlag nach unten. Jede Bewegung, die ich in diesem Hebelgriff nicht mitmachte, hätte zu einer ernsthaften Verletzung meines Handgelenks geführt.

Ich leistete weiterhin keinerlei Widerstand, forderte den Polizisten aber mehrfach auf, seinen Griff zu lockern. Der Mann zeigte kein Anzeichen von Entgegenkommen und so wurde ich zum Tiefen Graben hin weggeführt, wo ein Absperrgitter geöffnet wurde und mich der Polizist mit einem Stoß auf die Schulter aus dem Bereich beförderte.

Draußen blieben mehrere meiner Anrufversuche bei Polizeisprecher Hahslinger unerwidert.

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Sollte es in weiterer Folge zu einer Anzeige und einem Verfahren gegen die Journalisten kommen, werden das Protokoll und die Videoaufnahmen als Beweismittel herangezogen. (mcmt, derStandard.at, 3.2.2015)