Linz/Graz/Wien - In der Reifeteilung, auch Meiose genannt, findet bei der sexuellen Fortpflanzung der Austausch von genetischer Information zwischen den Eltern statt. Wissenschafter aus Linz, Wien und Graz konnten nun erstmals nachweisen, dass der Vorgang selbst genau dort vermehrt Mutationen mit sich bringt, wo die Erbinformationen neu kombiniert werden. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "PNAS" veröffentlicht.
Die Meiose ist für die sexuelle Fortpflanzung unentbehrlich und fördert die genetische Vielfalt. "Dabei tauschen sich die väterlichen und mütterlichen Chromosomen aus", erklärt Irene Tiemann-Boege vom Institut für Biophysik an der Universität Linz. "Wo dieser Austausch stattfindet, war lange unklar. Man dachte, dass es irgendwo im Genom passiert". Heute wisse man, dass sich der Austausch an ganz spezifischen Stellen vollziehe.
Hotspots erforscht
"Das Interessante daran ist, dass sich diese Stellen ziemlich schnell verändern", so die Forscherin. "Wenn man Gruppen von Menschen vergleicht, dann findet man dort viel mehr Unterschiede als außerhalb dieser 'Rekombinations-Hotspots'". Über die Ursachen für diese starken Veränderungen gibt es mehrere Theorien: So könnte es einerseits sein, dass Meiose "mehr Mutation einführt". Andererseits wäre es möglich, dass der Austausch nicht symmetrisch erfolgt, also an gewissen Stellen in der DNA mehr vom Vater oder der Mutter kommt, was dort für mehr Veränderung sorgt.
Genau diese Frage haben Tiemann-Boege, ihre Kollegin Barbara Arbeithuber und Kollegen aus Wien und Graz in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt untersucht. Dazu sammelten sie einzelne Genome aus diesen Hotspot-Regionen, wo es einen DNA-Austausch gegeben hat - sogenannte "Cross-Overs". Anschließend verglichen die Wissenschafter sie mit entsprechend gleichen Stellen im Genom, wo aber keine Neukombination der Erbinformation stattgefunden hat.
"Wir haben gesehen, dass die Moleküle mit einem Cross-Over mehr als dreimal so viele Mutationen aufweisen wie die, wo kein Cross-Over passiert ist. Das heißt, wir beweisen zum ersten Mal, dass die Meiose oder die Schnittstellen, wo die Rekombination passiert, mutagen sind", erklärte Tiemann-Boege.
Wichtiger Kontrollmechanismus
Zusätzlich konnten die Forscher auch einen asymmetrischen Austausch von väterlicher und mütterlicher DNA nachweisen. Dabei handle es sich um eine Art Kontrollmechanismus des Körpers, welcher den Änderungen durch Mutationen entgegenwirkt. "Unser Erbgut wird in den Zentren der Rekombination sehr schnell verändert", so Tiemann-Boege. Dies sei biologisch sehr bedeutsam: Es ergebe sich die Möglichkeit, diese Veränderungen kontrolliert ablaufen zu lassen.
Die meisten Hotspots finde man in Bereichen, wo es keine lebenswichtigen genetischen Informationen gibt, sondern dort, wo eine schnellere Veränderung der Gene durchaus von Vorteil sein kann. Nämlich in Regionen, die sehr viel mit der Umwelt reagieren. "Also in genetischen Experimentierfeldern, wo die Erhöhung der genetischen Vielfalt durchaus Sinn macht", so die Forscherin. Es handle sich möglicherweise um einen von der Natur geschickt eingerichteten Motor für die Anpassung an die Umgebung. (APA/red, derStandard.at, 7.2.2015)