Matteo Renzi scheut kein Risiko, wenn er daraus Nutzen ziehen kann. Auch die Wahl des neuen italienischen Staatspräsidenten war eine Pokerpartie, an deren Ende alles stehen konnte - bis hin zu Regierungskrise und Neuwahlen. Doch es ging gut. Dass Renzi den Verfassungsjuristen Sergio Mattarella für das Amt durchsetzte, war Resultat eines wohlüberlegten Plans.

Mattarella steht für Seriosität, für den Kampf gegen die Mafia, für Engagement gegen Korruption. Er erwies sich zudem als Trumpfkarte gegen Widersacher Silvio Berlusconi: Mattarella wird niemals den verurteilten und mit Politikverbot belegten Steuersünder begnadigen. Und das ist sehr im Sinne Renzis, der als Regierungschef jetzt mehr Macht besitzt als die meisten seiner Vorgänger - dabei hat er sich nicht einmal vom Volk wählen lassen müssen.

Doch so sehr Mattarella eine gute Wahl war, so enttäuschend war sie auch. Italien hat einmal mehr eine Chance verspielt, sich glaubwürdig zu erneuern - etwa durch die Wahl einer Frau - und endlich jene ideologischen Gräben zwischen links und rechts zu überwinden, die das Land de facto seit Jahrzehnten paralysieren.

Es ist nun wieder hoch an der Zeit, die wirklich wichtigen Probleme in Angriff zu nehmen, etwa die Reduktion der kolossalen Staatsschulden in Höhe von über 2100 Milliarden Euro. Doch dieses Ziel ist wenig attraktiv, und sogar Renzi kann diese Partie fast nur verlieren.
(Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 2.2.2015)