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Sergio Mattarella wurde im vierten Wahlgang zum neuen italienischen Staatspräsidenten gewählt.

Foto: REUTERS/Press Officer Presidenza della Repubblica

Der Tag, der das Leben von Sergio Mattarella in andere Bahnen lenken sollte, war der 6. Jänner 1980, ein Sonntag. Vor dem Haus der Familie in seiner Geburtsstadt Palermo fielen Schüsse: Ein Killerkommando der Mafia verübte ein Attentat auf seinen älteren Bruder Piersanti. Sergio rannte die Treppen hinunter, zog den blutüberströmten Bruder aus dem Auto, fuhr mit ihm in einem Streifenwagen der Carabinieri zum Krankenhaus - doch Piersanti starb während der Fahrt in Sergios Armen.

Piersanti war Bürgermeister von Palermo gewesen; er hatte sich der Infiltration der Stadtbehörden durch die Mafia widersetzt und damit sein Todesurteil unterzeichnet. Bruder Sergio, ein brillanter Jurist, hatte eigentlich eine Karriere als Professor für öffentliches Recht angestrebt. Doch nach der Ermordung Piersantis beschloss der damals 39-Jährige, wie einst sein Vater und sein Bruder in die Politik zu gehen: Piersantis Tod sollte nicht umsonst gewesen sein. Sergio schloss sich der konservativen Democrazia Cristiana (DC) an.

Bereits 1983 wurde er, als Vertreter des linken DC-Flügels, zum ersten Mal ins nationale Parlament gewählt. Dort blieb er bis zum Jahr 2008. Nach dem Zusammenbruch seiner Partei infolge der Korruptionsermittlungen in den frühen 1990er-Jahren gehörte Mattarella zu den Gründern der DC-Nachfolgeparteien PPI und Margherita. Später betrieb er die Gründung des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) von Premier Matteo Renzi. Seit 2011 ist er Mitglied des Verfassungsgerichts.

Der scheue, mitunter unterkühlt wirkende Sizilianer ist ein Gentleman mit Prinzipien - und so waren Konfrontationen mit Silvio Berlusconi unvermeidlich. 1990 trat er als Bildungsminister aus Protest gegen ein neues Fernsehgesetz zurück, das die gesetzwidrige Monopol-Stellung des TV-Unternehmers legalisierte. 1995, als Berlusconis Forza Italia in der Europäischen Volkspartei (EVP) aufgenommen wurde, der auch Mattarellas PPI angehörte, sprach er von einem "irrationalen Alptraum".

Der heute 73-Jährige war mit der kürzlich verstorbenen Schwester von Piersantis Frau verheiratet. Neben seinen beiden Söhnen und einer Tochter kümmerte er sich auch um die Kinder seines ermordeten Bruders.

Einer der Ersten, die ihm zur Wahl zum Präsidenten gratulierten, war Senatspräsident Pietro Grasso - jener Mann, der 1980 als junger Staatsanwalt Piersantis Mörder hinter Gitter gebracht hatte. (Dominik Straub, DER STANDARD, 2.2.2015)