Das Zitat ist griffig, hat Hand und Fuß und schafft es trotz harter interner Konkurrenz locker in die Top Ten der besten Sager von Michael Häupl. "Ein Sozialdemokrat hat zu reden wie ein Sozialdemokrat und nicht wie die Pegida", richtete Wiens Bürgermeister seinem Parteikollegen Franz Voves aus. Stutzig macht bei der Ansage gegen Voves in der Integrationsdebatte die gleichzeitige Verschonung von Hans Niessl: Der burgenländische Landeshauptmann zeigt sich "voll und ganz" auf Linie mit Voves, er wird von Häupl aber mit Samthandschuhen angefasst. Der Grund für Häupls einseitigen Grant: Voves hat sich Ende 2013 aus dem SPÖ-Bundesparteivorstand zurückgezogen; die steirische Wahl und mögliche blaue Zugewinne vor Augen, kann Voves das "Dreinkeppeln" aus Häupls Sicht dennoch nicht lassen.

Die Außenwirkung des internen Zwists bei der SPÖ ist fatal. Nicht die Forderung von Voves, sondern erst der Vorwurf, dass die SPÖ bei Integrationsthemen auf einem Auge blind sei, brachte Häupl in Rage und den Mund zum Überlaufen. Dabei hätte sich Häupl korrekt und ohne verbales Ballyhoo gegen beide Länderchefs stemmen müssen. Denn zum Thema selbst hat der Wiener Bürgermeister bei aller Wahlkampfstimmung im Ländervergleich am meisten zu sagen.

Häupls Vorschlag, Schulverstöße stärker zu sanktionieren, zielt zwar vor allem, aber nicht ausschließlich auf integrationsunwillige Migranten ab. Denn es ist nicht undenkbar, dass auch Schüler ohne Migrationshintergrund gezielt gegen die Schulordnung verstoßen. Es ist nicht utopisch, dass sich auch deren Eltern nichts von Lehrerinnen sagen lassen.

Freilich ist die Schulabbrecher-Quote - Drop-outs sind meist Folge mangelnder Kooperation zwischen Schülern, Eltern und Lehrern - bei Migranten fast viermal so hoch wie bei österreichischen Jugendlichen. Da müssten die politischen Alarmglocken längst schrillen.

Höhere Strafen bei Schulverstößen helfen in diesem Stadium nichts mehr. Ziel müsste eine spezielle und intensive Förderung für gefährdete Kinder möglichst früh in ihrer Bildungskarriere sein. Die vielfach überforderten Lehrkräfte müssten viel mehr durch Schulpsychologen und Sozialarbeiter unterstützt werden.

Wer Lehrern an Wiener Volksschulen zuhört, bekommt unglaubliche Geschichten zu hören. Etwa diese von einem türkischen Kind, das seine Schultasche mit Ferienbeginn im Juli in der Schule vergaß - und sie zu Weihnachten wieder holen wollte. Die Eltern waren nach ihrer Rückreise aus der Türkei erstaunt, dass sich das Kind eine neue Klasse suchen musste.

Oder jene Geschichte von einem Schüler, dessen Eltern die Hochzeit von Freunden im Ausland dafür nützten, den Aufenthalt während der Schulzeit ohne Genehmigung auf zehn Tage auszudehnen. Dazu Erzählungen von Lehrerinnen, die sich männliches Personal für Gespräche mit Vätern dazuholen müssen, um ernst genommen zu werden.

Das ist unter anderem die Realität, von der Voves und Niessl warnen. Konkrete Maßnahmen jenseits von Strafen bleibt die SPÖ, bleibt die gesamte Politik bisher schuldig.

Zugutegehalten muss den Roten aber werden, dass die Thematik jetzt endlich auf dem Tisch liegt und nicht der FPÖ überlassen wird. Der Schlüssel zur Verbesserung ist denkbar einfach, aber teuer: Bildung. Für Schüler - und für deren Eltern. (David Krutzler, DER STANDARD, 31.1.2015)