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Nicht nur im ÖSV spielt Peter Schröcksnadel die erste Geige. Er steht dem Förderprojekt Rio 2016 vor und gehört der Bundessportkonferenz an, die das umstrittene Sportverbandsranking zu verantworten hatte. Der ÖSV bringe 95 Prozent seines Budgets "privat" auf. "Da sind wir schon sehr tüchtig."

Foto: APA/EXPA PICTURES/EXPA/ JOHANN GRODER

Standard: Ein Vogerl hat mir geflüstert, dass es ein Wort gibt, das Sie nicht mehr hören können.

Schröcksnadel: Und welches Wort soll das sein?

Das Wort "Krise".

Schröcksnadel: Krise - wenn ich das schon höre! Es ist ja keine Krise da. Die Abfahrer sind gut, die Super-G-Fahrer sind gut. Die Damen können überall etwas gewinnen. Zugegeben, in einem bestimmten Bereich, bei den Technikern, haben wir ein Problem. Aber deshalb hat der Skiverband noch keine Krise.

Woher rührt das Problem?

Schröcksnadel: Wir haben einiges versäumt. Ein paar Jahrgänge sind ausgefallen. Im Slalom und im Riesenslalom haben wir hintennach keine Leute. In ein, zwei Jahren sieht das wieder anders aus. Wir sind ja mit Abstand die Besten, jammern auf hohem Niveau. Aber wir haben das Kämpfen verlernt, das ist das größere Problem.

Wer genau hat warum genau das Kämpfen verlernt?

Schröcksnadel: Wir sind auf Partner und Sponsoren angewiesen, die 95 Prozent unseres Budgets bestreiten. Wir müssen also Erfolg haben, sonst kriegen wir kein Geld. Jetzt waren wir jahrelang sehr erfolgreich. Aber wenn das Geld da ist, kämpft man nicht mehr so wie am Anfang.

Ist das eine Kritik an arrivierten Läufern?

Schröcksnadel: Der Benni, der kämpft schon, und der Matt kämpft auch. Ich meine eher das Umfeld. Man muss versuchen, wirklich jedes Talent an die Spitze zu bringen. Der Choroschilow ist jahrelang hinterhergefahren, jetzt gewinnt er. Das ist ein Kämpfer. Wir dürfen das Kämpfen nicht vergessen. Wer Erfolg haben will, muss mehr tun als nur seinen Job. Den Kampfgeist verliert man oft, wenn es einem zu gut geht.

Also eher eine Systemkritik?

Schröcksnadel: Man muss sich schon überlegen, was am System nicht mehr so funktioniert. Da gehört Stams, gehören die anderen Skigymnasien dazu - da ist früher sicher mehr herausgekommen.

Was ist die Konsequenz daraus?

Schröcksnadel: Wir müssen in ganz Österreich mehr Plätze schaffen, wo Talente beginnen können. Große Skiorte waren früher wichtiger für den Rennsport, die haben mehr Talente hervorgebracht. Heute schauen die großen Skiorte nur noch auf den Tourismus, bessere Trainingsmöglichkeiten gibt es oft in den kleineren Orten. Und wir müssen in den Ballungszentren mehr ermöglichen. Am liebsten wäre es mir, ich hätte ein paar Migranten in der Mannschaft.

Ist dieser Zug nicht längst abgefahren? In der Stadt verliert der Skisport ständig an Bedeutung, es gibt immer weniger Schulskikurse, dazu die Klimaerwärmung.

Schröcksnadel: Aber es braucht ja nicht viel. Ein Hügel mit achtzig oder hundert Metern Höhendifferenz und Flutlicht, mehr brauchst du nicht. Jeder kleine Ort hat einen Fußballklub, und die öffentliche Hand kommt für die Infrastruktur auf. Im Skisport gibt es ein Infrastrukturproblem. Zum Beispiel haben wir keine Möglichkeit, in Österreich Speed zu trainieren, da gibt es keine Strecke. Das kritisiere ich seit langem.

Dem halte ich entgegen, dass in die Biathlon-WM 2017 in Hochfilzen 20 Millionen Euro an öffentlichen Geldern fließen, dass der Umbau der Schanze am Kulm mit mehr als vier Millionen und die Snowboard-WM mit mehr als drei Millionen subventioniert wurden.

Schröcksnadel: Aber da geht es fast ausschließlich um Infrastruktur, die geschaffen oder erneuert wird. Bei den Veranstaltungen zahlen wir, der Skiverband, viel dazu, aber die Infrastruktur kann der ÖSV nicht auch noch bezahlen. Und die Schanze am Kulm hat man reparieren müssen, weil das Fis-Zertifikat abgelaufen ist. Da war eine Notwendigkeit gegeben.

Und außerdem sind dort jetzt weitere Flüge möglich.

Schröcksnadel: Das war ein Nebeneffekt.

Wieso bekommt der ÖSV, wenn Sponsoren und Partner 95 Prozent seines Budgets bestreiten, dennoch jährlich einen Millionenbetrag aus Bundesmitteln?

Schröcksnadel: Das ist wirklich nur ein Bruchteil unseres Budgets, eine Summe, die mit jener vergleichbar ist, die die Handballer oder Schwimmer auch bekommen. Aber wir stellen dazu noch mehr als 40 Millionen Euro privat auf, das ist der Unterschied. Da sind wir schon sehr tüchtig.

ORF und "Kronen Zeitung" sind Partner des ÖSV. Eine für Sie völlig unproblematische Situation?

Schröcksnadel: Da muss man unterscheiden. Dem ORF verkaufen wir TV-Rechte. Die Krone ist ein Werbepartner. Natürlich ist der Deal nicht ganz unproblematisch, aber wir versuchen, Berichterstattung und Geld auseinanderzuhalten, das strikt zu trennen.

Hat es im ÖSV-Team früher mehr Persönlichkeiten gegeben als aktuell? Würden die Damen und Herren Skifahrer in Wien über die Kärntner Straße gehen, so würden nur wenige erkannt, oder?

Schröcksnadel: Das waren früher auch nicht mehr. Wir haben den Hirscher, den Reichelt, den Matt, den Mayer, den Raich, wir haben die Fenninger, die Zettel, die Hosp, die Görgl - die kennt man schon. Keine Mannschaft kann nur Stars haben. Skifahrer werden erst dann richtig bekannt, wenn sie in der Werbung vorkommen und keinen Helm aufhaben.

Wieso fahren 15 Herren, aber nur zehn Damen zur WM?

Schröcksnadel: Wir haben mehr Damen, die mehrere Disziplinen bestreiten. Bei den Männern gibt's eine größere Spezialisierung.

Marcel Hirscher hat nach seinem 14. Platz in Schladming gemeint, bei der WM seien ähnliche Pistenverhältnisse zu erwarten. Wie groß ist Ihre Skepsis?

Schröcksnadel: Dass der Marcel die eisigen Pisten lieber hat, ist klar. Aber ich bin überzeugt, er stellt sich bei der WM auf alles ein.

Wie sieht das ÖSV-WM-Ziel aus?

Schröcksnadel: Wie immer. Sechs Medaillen sind das Minimum, alles mehr als acht freut uns sehr. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 31.1.2015)