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Nach Plünderungen im Township Kagiso im Westen von Johannesburg sorgt die Polizei für Ordnung. Sechs Menschen starben seit vergangenem Montag bei den durch Fremdenhass motivierten Angriffen.

Foto: APA/EPA/KEVIN SUTHERLAND

Schwarze Eisengitter versperren den kleinen Spaza-Shop (Kiosk) zwischen den einfachen Häusern im Viertel Snake Park. Die Inhaber sind geflohen, als die Welle der Gewalt in Soweto ihren kleinen Laden erreichte. Nur wenige Ecken weiter ist ein anderer Kiosk von somalischen Eigentümern verlassen worden - Brände haben die abgeblätterten rosa Wände der Bude verkokelt.

Ausländerhass flammt wieder auf in Südafrika. Er schwelt seit Jahren an der Oberfläche. Unvergessen bleibt das dramatische Jahr 2008, als die Townships brannten und afrikanische Migranten von einheimischen Nachbarn brutal angegriffen und zu Tode gepeinigt wurden. 62 Menschen kamen damals ums Leben, ein Schock angesichts des unmenschlichen Terrors ging durch das Land. Dabei ist es geblieben.

Sie schrien "Makwerekwere"

Doch am vergangenen Montag schlug der Hass wieder in Angriffe um: In Snake Park stürmte eine Gruppe Jugendlicher auf somalische Spaza-Shops zu. Sie schrien "Makwerekwere" (Slangausdruck für Ausländer) und begannen, die Kioske einzuschlagen. Ein Somali hatte als Verteidigung zur Waffe gegriffen und in die Menge geschossen. Dabei tötete er einen 14-jährigen Teenager. Die Angriffe eskalierten, und die Gewaltwelle ging in der vergangenen Woche auf andere Townships wie Kagiso im Westen und Alexandra im Norden Johannesburgs über. Etwa 80 Läden wurden gewaltsam beraubt. Sechs Menschen kamen ums Leben, 178 wurden verhaftet.

Spuren in den Lacken

Wie im traumatischen Jahr 2008 ist auch jetzt wieder Ruhe in den Townships eingekehrt. Die Spuren der jüngsten Angriffe auf die afrikanischen Läden in Soweto sind noch zu sehen: In den von den Lacken der Sommergewitter gefüllten Straßen liegen Gegenstände, die beim Ausrauben der Kioske in aller Eile verloren worden sind. Die Bilanz: Alle zwölf Spaza-Shops in Snake Park sind verlassen. Lediglich die drei Läden mit südafrikanischen Inhabern sind unversehrt.

"Sie haben ihre Sachen genommen und sind verschwunden", sagt Nokhaya Ginya. Der 59-jährige Südafrikaner hatte seine Läden an Einwanderer aus Bangladesch vermietet - bis vergangenen Freitag. "Ich bin traurig über die Ereignisse. Ich glaube nicht, dass ich wieder so gute Mieter haben werde. Die Gemeinschaft mochte die Ausländer. Sie waren freundlich und ehrlich, hatten günstige Preise und gaben sogar Kredite." Ginya schüttelt den Kopf: "Ich werde meinen Laden verkaufen, denn sie werden wohl nicht zurückkommen. Es ist unsicher für sie hier."

Mehl- und Zuckerspuren auf dem Boden

Phephi Mchunu (25) hat nichts gegen Ausländer. Sie lebt mit ihrem Freund aus Simbabwe. "In der schrecklichen Nacht hörte ich Geräusche und Schreie, Leute mit Mülltonnen und Schubkarren rannten durch die Straßen und stahlen aus den Läden." Am nächsten Morgen gab es Mehl- und Zuckerspuren auf dem Boden. Die Kassen waren aufgebrochen.

Als der ANC-Gemeinderat (African National Congress, Anm.) ein Treffen einberief, konnte Phephi kaum glauben, was er sagte: "Er bezeichnete die Ausländer als Drogenhändler. Sie seien hier nicht willkommen. Das ist schlimm, denn einige der ANC-Führer sind während der Apartheid im Ausland beherbergt worden."

Aus Angst um ihr Leben

Hunderte Menschen sind in das Johannesburger Muslim-Viertel Mayfair geflohen. Die humanitäre Situation dort verschlechtert sich ständig, denn immer mehr fliehen aus Vororten, aus Angst um ihr Leben. Was ihre Situation erschwert: Seit Jahren versuchen sie, in Südafrika als Asylwerber anerkannt zu werden.

Die Organisation Lawyers for Human Right reagierte mit Enttäuschung: "Wir sind schockiert, dass Südafrikaner wenig Mitgefühl für Ausländer haben, die versuchen, in ihrem Land zu überleben", sagte Anwältin Patricia Erasmus. Die Intoleranz gegenüber Ausländern in der Gesellschaft halte an. Regierung und Polizei müssten stärker reagieren.

Eiskästen türmen sich

Bushira Ahmed hat wie viele der geflohenen Ladenbesitzer seine Güter nach Mayfair verlagert: In dem kleinen Viertel nahe der Johannesburger Innenstadt türmen sich Eiskästen und Überreste aus den Läden; die Eigentümer stammen häufig aus Somalia und Äthiopien. Sie wissen nicht, wohin: "Wir können nicht zurück. Sie haben Pangas (Macheten) und töten uns", sagt Ahmed. (Martina Schwikowski aus Johannesburg, DER STANDARD, 31.1.2015)