Bundeskanzler Werner Faymann soll spindoktormäßig ein schärferes, kantigeres Profil bekommen, lesen wir. Muss was dran sein, sonst hätte sich Faymann in der Sache des Saudi-Dialogzentrums nicht so aus dem Fenster gelehnt. Dass er dabei halb hinausgefallen ist, steht auf einem anderen Blatt.

Um nicht missverstanden zu werden: Es ist unerträglich, wenn in einem solchen edel ausgestatteten Zentrum weise Männer unterschiedlicher Religionen gepflegte Allgemeinplätze austauschen, gleichzeitig aber in Saudi-Arabien ein harmloser Blogger halb totgeprügelt wird. Aber was Faymann dann veranstaltet hat, war eine Fehlleistung.

Ein Kanzler stellt sich nicht hin und fordert mehrfach und ziemlich unbeherrscht die Schließung des Dialogzentrums. So etwas macht man anders, und Außenminister Sebastian Kurz hat dazu auch angesetzt: Er zwang die überforderte Vize-Generalsekretärin Bandion-Ortner zum Rückzug und lässt die Tätigkeit des Zentrums evaluieren. Wenn die bisherigen Dialog-Ergebnisse nicht ausreichend waren (wofür einiges spricht) muss man Druck machen, dass sich das ändert. Wenn es nach einem Jahr immer noch nicht seine Funktion erfüllt, muss man Entscheidungen fällen. Jedenfalls ist das eine heikle außenpolitische Frage.

Der Kanzler hat sich aber unangemessen und unbedacht exponiert. Und dafür auch vom Bundespräsidenten eine relativ deutliche Rüge ("vorher nachdenken") Rüge erhalten.

Warum sich Faymann da so exponiert hat, kann nur vermutet werden. Wollte er den Junglinken in der Partei, die ja großteils für sein mäßiges Parteitagsergebnis verantwortlich sind, etwas bieten?

Diese Deutung liegt nahe, weil Werner Faymann oft in wichtigen Fragen Handlungen setzt, mit denen er sich die Gunst von irgendjemand sichern will. Schon zu Beginn seiner Kanzlerschaft kam der briefliche Kotau vor der Krone und ihrer Anti-EU-Kampagne. Dem Herausgeber Dichand versicherte er brieflich, er werde das Volk befragen. Oder die Idee, über eine Volksbefragung die Wehrpflicht abzuschaffen, um junge Wähler zu gewinnen. Leider ist das, wie etliche andere populistische Maßnahmen auch, in die Hosen gegangen.

Zuletzt übernahm Faymann das Steuermodell von ÖGB und Arbeiterkammer komplett 1: 1. Unabhängig davon, wie vernünftig diese Modelle sind - ein Kanzler und Parteivorsitzender übernimmt einfach nicht sklavisch ein wirtschaftspolitisches Konzept von höchster Bedeutung von einer Interessengruppe, und sei sie ideologisch noch so nahe. Faymann war ja anfangs eher gegen eine Vermögenssteuer (und ist es nach Berichten etlicher seiner Gesprächspartner im Grunde immer noch). Faymann wollte die Gewerkschaft hinter sich bringen, aber er hat sich allem Anschein zu sehr eingebunkert. Wie will er da wieder herunterkommen?

Es gibt Dinge, die macht ein Kanzler nicht. Werner Faymann scheint das manchmal nicht zu wissen. So entstehen Fehlleistungen, die die Autorität eines Politikers, einer Regierung und letztlich eines Landes untergraben. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 31.1.2015)