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Das Wahlsystem ist äußerst kompliziert und begünstigt die stärkste Kraft.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Es wäre ein Novum in der Geschichte der Wirtschaftskammer. In der Bundeshauptstadt könnte der Wirtschaftsbund (ÖVP) bei der zwischen 24. und 26. Februar stattfindenden Kammerwahl erstmals die absolute Stimmenmehrheit verlieren. Beim letzten Urnengang vor fünf Jahren konnte die Absolute nur knapp mit 50,3 Prozent verteidigt werden. In allen anderen Bundesländern verfügt der Wirtschaftsbund über komfortable Mehrheiten.

Mit Spannung beobachtet wird das erstmalige Antreten des Neos-Ablegers Unos. Viele Mitglieder der Neos haben eine Vorgeschichte bei den Schwarzen. Dementsprechend klar formuliert Unos-Koordinatorin Marie-Therese Jutz das Wahlziel: "Unser Ziel ist es, die Absolute zu brechen." Realistisch sei freilich nur das Durchbrechen der Stimmenmehrheit, nicht jene bei den Mandaten, wie Jutz hinzufügt.

Kompliziertes Wahlsystem

Warum das so ist? Das Wahlsystem ist äußerst kompliziert und begünstigt die stärkste Kraft. Gewählt wird zunächst auf der untersten Ebene: Österreichweit werden 8905 Mandate in 857 Fachgruppen vergeben. Für die höheren Ebenen, also die Sparten und das Wirtschaftsparlament, werden die Mandate hochgerechnet, wovon die großen Fraktionen profitieren. "Selbst bei 45 Prozent hätte man in Wien noch eine absolute Mandatsmehrheit", schildert PR-Berater Rudolf Fußi, der für den Wirtschaftsbund arbeitet. "Der Verlust der Mandatsmehrheit ist daher denkunmöglich", gibt er sich optimistisch.

Dazu kommt, dass es nicht ganz einfach ist, flächendeckend anzutreten. Man braucht für jede einzelne Fachorganisation mindestens einen Kandidaten und zusätzlich bis zu zehn Unterstützungserklärungen (je nach Größe der Fachgruppe). Die Grüne Wirtschaft, die immerhin in 423 Fachgruppen antritt, musste 6000 Formulare ausfüllen, beklagt sich deren Chef Volker Plass. Passieren Formfehler, etwa dass nur einer von zwei Geschäftsführern einer GmbH unterschrieben hat, ist die Liste ungültig.

Kreativ sammeln

Die Neos, die noch kaum Strukturen haben, treten in weniger als zehn Prozent aller Fachgruppen an. In Kärnten und im Burgenland versucht man es erst gar nicht. Auch Budget gibt es kaum - kolportiert werden 200.000 Euro. Neben der Gastronomie konzentrieren sich die Pinken vor allem auf die Kreativberufe, die in der Sparte "Information und Consulting" gebündelt sind. Diese Unternehmen werden aber auch von den Grünen stark umworben.

Politikberater Thomas Hofer ist daher auch nicht restlos überzeugt, dass das Antreten der Unos aus strategischer Sicht gescheit war. "Wenn die Stimmenmehrheit fällt, können sie das als Erfolg verkaufen." Da man aber nur in wenigen Fachgruppen antritt, "läuft man Gefahr, letztlich ein mickriges Gesamtergebnis einzufahren". Angesichts der noch anstehenden Landtagswahlen (Wien, Burgenland, Steiermark, Oberösterreich) im heurigen Jahr könne man schon die Frage stellen, ob die Ressourcen richtig eingesetzt werden, meint Hofer.

Neos-Mandatar Niko Alm räumt zwar ein, dass das bundesweite Ergebnis "nicht spektakulär" ausfallen werde, angesichts der Nähe der Neos zur Wirtschaft sei ein Verzicht auf eine Kandidatur aber "nicht ernsthaft diskutiert" worden. Für die Neos gehe es um eine mittelfristige Perspektive. Letztlich werde es eine Frage der Kommunikation sein, dass das Ergebnis nicht als Niederlage wahrgenommen werde.

Nur 40 Prozent wählen

Polarisierende Wahlkampfthemen gibt es wenige. Die Neos versuchen es mit der Forderung nach dem Aus für die Pflichtmitgliedschaft und der Privatisierung des Wifi. "Eigentlich ist es aber eine reine Organisationswahl", sagt Politikberater Hofer. Wer seine Anhänger zur Stimmabgabe motivieren kann, hat schon viel gewonnen (österreichweit lag die Wahlbeteiligung zuletzt bei nur mehr 41,3 Prozent, in Wien sogar bei nur 29,4 Prozent). Besonders schwer erreichbar sind die Ein-Personen-Unternehmen, die bereits 57 Prozent aller knapp 487.000 wahlberechtigten Mitglieder ausmachen. In mehr als 200 Fachgruppen finden wiederum gar keine richtigen Wahlen statt, weil nur eine Liste antritt (Wahlkampfkostenrückerstattung gibt es trotzdem).

Entsprechend entspannt gibt sich der Wiener Kammerpräsident Walter Ruck. Mit dem Thema Sonntagsöffnung in Tourismuszonen konnte er zuletzt bei den eigenen Leuten punkten. Trotz Unos und diverser anderer Kleinlisten gibt er als Ziel aus: "Ich will die Absolute auf allen Ebenen." (Günther Oswald, DER STANDARD, 31.1.2015)