Die Wirkung von Schüßler-Salzen wäre in Studien einfach zu überprüfen. Die Hersteller dürften daran aber wenig Interesse haben, weil sich die Mittel auch ohne Beweise glänzend verkaufen.

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EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt für derStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe.

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Die meisten Krankheiten heilen wieder. Das Problem dabei: Wenn wir gesund werden, wissen wir nicht, woran das liegt: Hat ein Medikament geholfen, war es die Bettruhe, die Hühnersuppe oder wäre die Krankheit sowieso von selbst vergangen? Jede Form von Scharlatanerie lebt davon, dass wir im Nachhinein betrachtet nie wissen, was uns gesund gemacht hat – vielleicht war es ja das Zaubermittel.

Kein Vergleich

Was wirklich wirkt, lässt sich in Studien herausfinden. Doch während es da meist Vergleichsgruppen gibt, fehlt uns im echten Leben der Vergleich: Was, wenn wir das Medikament nicht genommen hätten? Was, wenn wir ein anderes Medikament genommen hätten?

Wenn wir in einer Studie genügend Menschen das eine Medikament geben und einer anderen Gruppe ein Scheinmedikament, dann erfahren wir etwas über Wirkung und Nebenwirkungen des Medikaments (ja, das ist eine starke Vereinfachung, natürlich sind bei diesen Studien unzählige methodische Dinge zu beachten). Studien sind für die Zulassung von Medikamenten Voraussetzung, doch wie sieht es in der Alternativmedizin aus?

Fehlender Willen

Die Behauptung, alternative Methoden ließen sich mit Studien nicht überprüfen, wird zum Glück immer seltener, denn das ist Unfug. Wissenschaftliche Studien sind nichts anderes als der Versuch, Wirkung objektiv zu testen. Mit etwas methodischem Geschick kann für jede Behandlung eine Studie entwickelt werden.

Ob Kranke durch homöopathische Zuckerkügelchen schneller gesund werden als durch die Einnahme von gewöhnlichem Zucker ist nicht schwieriger zu testen als bei üblichen Medikamenten (Besonderheiten wie beispielsweise die individuelle Verschreibung der Mittel in der Homöopathie sind leicht zu berücksichtigen). Es fehlt nur oft am Willen der Hersteller, und die Studienlage zu den meisten alternativen Heilmethoden ist entsprechend dünn.

Nichts zu Schüßler-Salzen

Die Wirkung von Schüßler-Salzen wäre beispielsweise in Studien einfach zu überprüfen. Sie sind im deutschsprachigen Raum sehr beliebt und somit auch ein großes Geschäft – doch es findet sich nicht eine einzige Studie zur Wirksamkeit. Die Hersteller dürften daran auch wenig Interesse haben, wenn sich die Mittel auch ohne Beweise glänzend verkaufen.

Neue Alternativmethoden, die nicht auf Tradition setzen können, werfen gerne mit wissenschaftlich klingenden Behauptungen um sich und sind erstaunlich kreativ, wenn es darum geht, zu erklären, warum sie funktionieren. Da werden Biophotonen bemüht, Laserhologramme vermitteln nicht näher erklärte Informationen und wenn das alles noch nicht überzeugt, liegt es eben an der Quantenphysik.

Ein aktuelles Beispiel sind Pflaster, die auf Akupunkturpunkte geklebt so ziemlich alles können: Sie entgiften, hemmen Schmerzen und machen gesund und stark. Die Hersteller führen auf ihrer Homepage zahlreiche "Studien" an; dass keine davon gut genug gemacht ist, um überhaupt irgendeine Aussage zu rechtfertigen, wird rasch klar, wenn man diese Studien liest.

Viele Homöopathie-Studien

Die Homöopathie ist enorm weit verbreitet. Obwohl viele ihrer Annahmen im Gegensatz zu etablierten wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen, hat sie teilweise Einzug in die Universitäten gehalten. Sie gehört zu den wenigen Alternativmethoden, zu der es zahlreiche klinische Studien gibt.

Die meisten davon sind von schlechter Qualität, doch das ist nicht außergewöhnlich – richtig gute Studien sind in fast allen Bereichen selten, egal ob Alternativ- oder konventionelle Medizin. Wie überall ist der Blick auf die Gesamtheit notwendig, also eine genau Analyse aller Studien: Welche Qualität haben sie und was sagen sie in Summe aus?

Diese Bilanz fällt bei der Homöopathie negativ aus: Zuckerkügelchen mit homöopathisch verdünnten Mitteln helfen nicht besser als Zuckerkügelchen ohne diese, auch wenn der Strom an laufend neuen Studien diese Debatte noch lange am Leben erhalten wird.

Verzögerte Behandlung

Meistens ist es für die einzelne Person egal, ob sie wirkungslose Mittelchen nimmt, weil wir in den meisten Fällen ohnehin von selbst wieder gesund werden. Immerhin erspart man sich so Medikamente, die oft wirkliche Nebenwirkungen hätten. Sehr häufig ist Alternativmedizin einfach nur ein Geschäftsmodell, aber keine medizinische Innovation.

Im schlimmsten Fall werden notwendige Behandlungen aber verzögert oder kommen zu spät. Jede medizinische Behandlung sollte daher in Studien ihren Nutzen beweisen. Darauf zu verzichten führt in letzter Konsequenz nur zur Selbst- und Patiententäuschung. (Gerald Gartlehner, derStandard.at, 30.1.2015)