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Ein Milliardär mit seltsamen Vorlieben: Steve Carell brilliert in Bennett Millers "Foxcatcher" mit einer untypischen Rolle.

Foto: AP

Wien - Mit dem Privathubschrauber geht es zu einem Empfang mit honorigen Gästen. John du Pont, einer der reichsten Männer Amerikas, und sein neuer Schützling, Mark Schultz, Olympiasieger im Ringsport, stellen sich während des Flugs auf den Abend ein. Mit Kokain schärfen sie ihre Sinne - so sollte dem aufs Reden nicht so geübten Schultz auch die Selbstbezeichnung seines Finanziers besser über die Lippen kommen: Ornithologe, Philatelist, Philanthrop. Ein Zungenbrecher, den die beiden mehrmals wiederholen.

Foxcatcher, inszeniert von US-Regisseur Bennett Miller, rekonstruiert die Geschichte zweier Personen, die ein gesellschaftliches Gefälle trennt. Sie ist einem realen Fall nachempfunden, ließe sich auch gar nicht erfinden - so tragisch sind die Implikationen. Du Pont, Sprössling einer Industriellenfamilie, hegte ein Faible für Vögel und Briefmarken, Wohltätigkeit war ihm wichtig, und seine Passion für das Ringen ging weit unter die Haut: Mit dem Foxcatcher-Team, das er rund um den Olympioniken in den 1980er-Jahren aufbaute, erfüllte er sich einen Traum.

An der Oberfläche ist diese Geschichte eine scheinbar simple Moritat, die Vorurteile über menschliche Defekte von Superreichen bestätigt: Du Pont sucht sich ein Betätigungsfeld, um endlich einmal etwas selbst zu erschaffen. Ein beschädigtes Ego will Anerkennung, selbst erkämpften Ruhm - die dominante Mutter (Vanessa Redgrave in einer kleinen Nebenrolle) hat es ihrem Knaben nie leicht gemacht.

Bennett Miller hat bereits mit seinen ersten beiden Spielfilmen, dem Schriftstellerdrama Capote mit Philip Seymour Hoffman und dem Baseball-Insider-Film Moneyball, gezeigt, wie souverän er sich auf die Ausgestaltung von Lebens- und Arbeitswelten versteht. Auch in Foxcatcher macht er sich Räume und Ausstattung zunutze, um seinen Figuren eine Dimension von Tiefe zu verleihen, die einfache Psychologien übersteigt. Mit seiner zurückhaltenden, fein bemessenen Inszenierung suggeriert er, dass die Figuren in Konstellationen gefangen sind, in denen zu viele Dinge miteinander korrespondieren, sodass keine Übersicht möglich ist.

Als Mark Schultz (Channing Tatum, hinter seiner tumben Erscheinung verletzlich) in du Ponts neohistoristischem Anwesen ankommt, sprechen etwa schon die Architekturen für sich. Die Salons atmen den Geist eines vergangenen Jahrhunderts, das hier freilich nur für eine neofeudale Klasse nachgestellt ist. Umso paradoxer: die komplett eingerichteten Trainingsräume für die Ringer sowie die gelb-blauen, bereits mit Brandings versehenen Trikots.

Die Liebe des Milliardärs zu dieser so klobig wirkenden Sportart erzählt bereits viel von seiner höchst ambivalenten Persönlichkeit. Kein Puzzlestück passt zum anderen, das Ringen ist Freundschaftsersatz und Vaterlandsdienst in einem. Steve Carell, als Komiker eine fixe Größe des US-Kinos (etwa in den Anchorman-Filmen), spielt diese Figur (mit Nasenattrappe) als ebenso lächerliche wie monströse Erscheinung und heimste dafür auch eine Oscar-Nominierung ein. Leise, unlesbar, kindlich-verspielt und unheimlich in seinen Stimmungsschwankungen wirkt er wie eine Art Nosferatu des Großkapitals.

Kunst der Andeutung

Millers Inszenierung macht die Instabilität unter allen Mitwirkenden deutlich und reicht sie an den Betrachter weiter. Selbst Marks Bruder Dave (Mark Ruffalo) bringt keine Balance in das immer angespanntere Verhältnis. Viele Zusammenhänge deutet Miller subtil an. Die homoerotischen Neigungen du Ponts kommen etwa latent zum Ausdruck - einmal weckt er Mark in aller Herrgottsfrühe, um ihn beim Training nahe an sich zu pressen.

Unterschwellig erzählt Foxcatcher von windschiefen Verhältnissen, die über die Personen hinausreichen. Miller seziert ein Amerika unter Reagan, aus dem die Moral verschwindet, weil auch diese käuflich ist. Der Wahnsinn steckt in dieser Komödie, die gar keine ist, hinter unangenehm ruhigen Oberflächen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 31.1./1.2.2015)