So kann man sich irren. Bis vor ein paar Tagen war der Krisenkolumnist überzeugt, dass "Österreicher" und "Fleischtiger" Synonyme sind und Synonyme ewig bleiben werden. Gefühlt die Hälfte der europäischen Nutzviehproduktion landet in Austromündern und Austroschlünden, und mit nichts kann man einem einheimischen Gourmet größere Freude machen als mit einem resch durchgebratenen toten Tier und einem Teller ansehnlichen Aases. Nicht umsonst steht in jedem Märchen das Gesottene und Gebratene als Symbol für das gute Leben.

Die archetypische Lieblingsspeise des Österreichers ist eine Doppelportion Bauernschmaus ohne Sauerkraut, d. h. üppig Bauchfleisch und reichlich Xöchts mit einem Kranz Würstl als Sättigungsbeilage. Und wenn's zum Xöchtn unbedingt was Xunds geben muss, dann höchstens ein - im Würstlstandwienerischen "Krokodüü" geheißenes - Essiggurkerl.

All das habe ich geglaubt, ehe ich diese Woche aus einer Karmasin-Umfrage für die Firma Landhof erfahren habe, dass der Fleischverzicht in diesem Land neuerdings fröhliche Urständ feiert. Ganze Vegetarierkohorten pfeifen frohgemut auf das Schweinsbratl, und mehr als der Hälfte der Befragten geht die Wurst am Hintern vorbei.

Das sind schockierende News. Denn das Verschwinden der Wurst aus der österreichischen Öffentlichkeit wäre für Eckpfeiler des nationalen Selbstverständnisses wie die Schlachtpartiekultur oder die Würstlstandsfolklore ein Debakel. Man stelle sich vor, dass wurstfeindliche junge Menschen aus schierer Wurstigkeit nicht einmal mehr sagen, was ihnen alles Blunzn ist. Dass die Klobassa auf der Liste der bedrohten Arten landet.

Dass wildgewordene Veganer den Song Contest boykottieren, weil er von Conchita Wurst präsentiert wird. Die Eitrige von der Bildfläche verschwindet. Von der Knackwurst nur noch die Knack übrig bleibt. Salamischwund in Salzburg! Wurstleere in Wulkaprodersdorf, Leberkäsengpässe in Linz-Urfahr!

Das sind Untergangsvisionen, bei denen jedem wahren Patrioten, wenn schon nicht die Grausbirnen, so doch die Grauswürstln aufsteigen. Sollten Sie dem Krisenkolumnisten eine Freude machen wollen, dann setzen Sie ein Zeichen und stessen sich heute Abend eine Extraportion Burenhäutln hinter die Binde. Oder besser noch: gleich zwei. (Christoph Winder, Album, DER STANDARD, 31.1./1.2.2015)