Das hat selbst notorische Skeptiker überrascht: Das Haushaltsdefizit marschiert wegen der flauen Konjunktur nach oben statt unten. Nach den neuen Wifo-Prognosen muss die Regierung das nächste Sparpaket schnüren und kann sich die geplante Entlastung aufmalen. Immerhin fehlen rund zwei Milliarden Euro zur Erreichung des strukturellen Nulldefizits im Jahr 2016. Mag sein, dass es sich bei der Lücke nur um ein Erwartungsloch handelt, mit der heiß ersehnten Steuerreform würde es aber definitiv erfüllt statt gefüllt.

Angesichts des engen budgetären Korsetts durch den auch national umgesetzten Fiskalpakt schwimmen der Regierung die Felle davon. Die Angst vor dem Anpacken großer Strukturbrocken rächt sich jetzt, weil jeglicher Spielraum für eine Steuersenkung fehlt. Bei einer Entlastung im Ausmaß von vier Milliarden Euro würde Österreich nach den jüngsten Wifo-Prognosen bereits im kommenden Jahr die bei drei Prozent liegende Latte des Maastricht-Defizits reißen - und nach kurzem Freigang schon wieder am EU-Pranger stehen.

Also wieder außer Ankündigungen nichts gewesen? Sieht ganz danach aus, obwohl es noch eine Chance gibt. Voraussetzung dafür wäre ein großer Wurf, der an die Stelle der kleinen Nadelstiche treten müsste. Keine Frage: Wer sich tagtäglich in taktischen Spielchen um die bessere Schlagzeile bei Abdullah-Zentrum, Asyl oder TTIP übt, dem werden keine Glanztaten zugetraut. Andererseits sollte man die Hoffnung nicht begraben, dass die Parteizentralen vom Ernst der Lage noch Wind bekommen. Reinhold Mitterlehner mag die Partei hinter sich haben, an inhaltlichen Erfolgen vorweisen kann er bis jetzt aber praktisch nichts. Werner Faymann hat mangels Durchschlagskraft ohnehin schon länger ein Kern-Problem, das ihn bei Scheitern der Steuerreform das Amt kosten dürfte.

Aber wie gesagt. Es gibt sie noch, die Alternative, die da lautet: Wir arbeiten in den nächsten Wochen die großen (und sattsam bekannten) Themen ab und präsentieren parallel zur Entlastung ein Reformmodell. Wenn das eine ebenso drastische wie präzise Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, einen radikalen Eingriff in den Föderalismus, eine konkrete Liste von Subventionskürzungen und eine über den Wunschzettel des Finanzministers hinausgehende Gesundheitsreform enthält, dann könnte die überfällige Entlastung doch noch Realität werden. Und wenn dazu die Erbschafts- und Schenkungssteuer wieder eingeführt wird, könnte zumindest ein symbolischer Beitrag im Sinne der sozialen Gerechtigkeit geleistet werden.

Natürlich schlagen die genannten Eingriffe nicht sofort auf den Staatshaushalt durch, doch Brüssel würde bei entsprechendem Tatendrang wohl ein Auge zudrücken. Defizitausschläge duldet die EU aber sicherlich nicht, wenn die Sanierung des Haushalts auf leeren Versprechungen basiert. Das Land hat einen Richtungswechsel dringend notwendig. Der Staat knöpft den Bürgern immer mehr Geld ab, weil er das bereits über das Niveau von Schweden angestiegene Ausgabenniveau halbwegs finanzieren muss. 52 Prozent der Wirtschaftsleistung werden mit fraglichem Wirkungsgrad von der öffentlichen Hand vergossen. Das hemmt Bürger und Wirtschaft, deren Wachstum hinter den Schnitt der Eurozone zurückfällt.

Auch wenn Skeptiker in Österreich meist recht behalten: Versagen kann sich das Land nicht mehr leisten. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 30.1.2015)