Graz – Am Montag eröffnet in Graz die erste sexualmedizinische Praxis Österreichs. Das Team besteht aus vier Fachärzten der Gynäkologie, Urologie, Schmerzmedizin und Allgemeinmedizin, einer Masseurin und einer Physiotherapeutin, die alle eine Spezialausbildung hinter sich haben. Erst 19 Diplome dieser Art wurden von der Ärztekammer ausgestellt.

"Es wissen nicht einmal viele Ärzte, was Sexualmedizin ist", sagt Praxisleiterin Elia Bragagna im Gespräch mit dem STANDARD, "schon gar nicht Patienten." Deshalb würden viele, die man gezielt behandeln könnte, erst einen Ärzteparcours durchlaufen.

Bragagna selbst wurde sexualmedizinisch in Hamburg ausgebildet. Männliche und weibliche Patienten halten sich die Waage. Bei Männern sei vor allem der vorzeitige Samenerguss häufig, jeder Fünfte leide darunter. "Nicht, wie man glaubt, Jüngere öfter", klärt Bragagna auf, "es gibt Männer, da kommt das erst im Alter." Die Ursachen können angeboren sein, etwa eine Störung der Serotoninrezeptoren im Gehirn, die medikamentös behandelt werden könne. Auch Prostata- und Schilddrüsenleiden können, neben psychischen Ursachen, schuld sein.

Unerkannte, oft bedrohliche Ursachen

Erektionsprobleme hätten bei Männern ab 50 oft unerkannte, bedrohliche Gründe, nämlich kaputte Blutgefäße. "Oft beginnt es damit, dass er nicht mehr durchhält, und vier Jahre später hat er einen Herzinfarkt", so die Expertin. "Man sagt nicht umsonst: Der Penis ist die Antenne des Herzens."

Bei Frauen leide schon jede zehnte unter Lustlosigkeit. "Von einer Störung spricht man, wenn es andauert und die Frauen darunter leiden", sagt Bragagna. Lustlosigkeit treffe aber auch Männer. "Wir haben in Österreich viele Depressive, da ist das auch eines der ersten Anzeichen."

Frauen klagen auch über Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder ausbleibende Orgasmen. Das könne physische, psychische oder einfach nur praktische Gründe haben. "Wenn er sich abrackert, aber sie nicht nur vaginal, sondern klitoral stimuliert werden will, hilft alles nichts", so Bragagna.

Spezialisiert ist man auch auf Patienten, die während eines Krebsleidens oder danach Schwierigkeiten haben, zu ihrer Sexualität zurückzufinden. Für "scheue Patienten" bietet die Praxis auch eine Hotline an. Bragagna betont: "Bei uns sind alle willkommen, auch Jugendliche." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD 30. 1. 2015)