Links die Große Magellansche Wolke in Relation zur mächtigen Milchstraße, rechts eingezoomt auf die drei jüngst identifizierten Gammastrahlenquellen in der Zwerggalaxie.

Fotos: H.E.S.S.-Kollaboration/SkyView, A. Mellinger und M. Braun et al.

Tübingen - Mit Hilfe des Teleskopsystems H.E.S.S. ("High Energy Stereoscopic System") hat ein internationales Forscherteam in der Großen Magellanschen Wolke Gammastrahlenquellen von sehr hoher Energie und Leuchtkraft entdeckt. Es ist das erste Mal, dass stellare Quellen für Gammastrahlen in diesem Energiebereich außerhalb unserer eigenen Galaxie gefunden wurden, berichtet die Universität Tübingen.

Die Forscher konnten drei völlig unterschiedliche Objekte beobachten: den stärksten bekannten Pulsarwind-Nebel (N 157B), den leuchtstärksten bekannten Überrest einer Supernova (N 132D) und die "Superblase" 30 Dor C, eine von mehreren Sternen und Supernovae gebildete Schale mit 270 Lichtjahren Durchmesser. Besonders interessant ist letztere, denn mit dieser Superblase wurde zugleich auch ein ganz neuer Typ sehr hochenergetischer Gammastrahlenquellen gefunden.

Augen auf 30 Dor C

Die irregulär geformte Große Magellansche Wolke ist mit etwa 15 Milliarden Sternen eine Zwerggalaxie und wird wegen ihrer relativ geringen Entfernung von ca. 160.000 Lichtjahren auch als Satellitengalaxie der Milchstraße bezeichnet. Auf der Suche nach sehr hochenergetischen Gammastrahlen investierten die H.E.S.S.-Wissenschafter insgesamt 210 Stunden Beobachtungszeit, um die größte sternbildende Region in der Zwerggalaxie, den Tarantelnebel (auch 30 Doradus genannt), zu erkunden.

Superblasen wie 30 Dor C entstehen, wenn eine Gruppe von massereichen Sternen und Sternexplosionen zusammenwirken und ihre Auswurfmassen (Sternenwinde und Explosionsmaterie) eine gemeinsame äußere Schale formen. Superblasen werden für mögliche "Fabriken" galaktischer kosmischer Strahlung gehalten. Und die mit H.E.S.S. erzielten Ergebnisse zeigen nun, dass 30 Dor C tatsächlich mit Hochenergieteilchen gefüllt ist und so als Quelle kosmischer Strahlungsteilchen wirkt. Superblasen stellen damit eine neue Klasse von Quellobjekten im Hochenergiebereich dar.

Die beiden anderen Strahler

Pulsare sind hochmagnetisierte, schnell rotierende Neutronensterne. Sie schleudern einen Wind ultrarelativistischer Teilchen aus, die einen Nebel bilden. Das bekannteste derartige Objekt in unserer Galaxie ist der etwa 6.300 Lichtjahre entfernte Krebsnebel, eine der stärksten Quellen hochenergetischer Gammastrahlen am Himmel. Der durch die H.E.S.S.-Teleskope in der Großen Magellanschen Wolke entdeckte Nebel N 157B übertrifft den Krebsnebel in der Gammalichtstärke aber noch um eine ganze Größenordnung.

N 132D, bekannt als helles Objekt im Radio- und Infrarotbereich, gehört vermutlich zu den ältesten Supernovaüberresten, die noch hochenergetische Gammastrahlen aussenden. Bei einem geschätzten Alter von 2.500 bis 6.000 Jahren dürfte sich die Druckwelle der Sternexplosion bereits deutlich verlangsamt haben, was eigentlich bedeutet, dass sie in ihrer Wirkung als Teilchenbeschleuniger nachgelassen haben sollte.

Dennoch überstrahlt N 132D selbst noch die leuchtstärksten Supernovaüberreste unserer eigenen Galaxie. Mit dieser Beobachtung haben sich Vermutungen aus früheren H.E.S.S.-Ergebnissen bestätigt, dass Supernovaüberreste viel heller leuchten können als bislang angenommen. (red, derStandard.at, 30. 1. 2015)