30 Jahre im Einsatz: Leo Nucci als Simon Boccanegra.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien - Es ist Verdis am stärksten verinnerlichte Oper: Von Anfang an liegt über Simon Boccanegra tiefe Melancholie, Trauer und Gelöstheit. Die Musik verzichtet fast gänzlich aufs Auftrumpfen: Nur wo die Konflikte zwischen den Protagonisten kulminieren oder wo kriegerische Auseinandersetzungen geschildert werden, kommt das dramatisch-heroische Register zum Zug.

Das ganze Werk hat etwas von einem Standbild, durch das die schönsten Farben fließen. Es zu dirigieren ist eine besondere Herausforderung. In der aktuellen Aufführungsserie an der Staatsoper tut dies Philippe Auguin mit Zurückhaltung im Pathos. Zugleich betont er die Kantabilität, sorgt für Spannungsreichtum und Transparenz. Das Orchester folgt ihm mit blühender Melodik und prallem Klang.

Dass die hohen Streicher an einer Stelle, dort, wo sich die Vergiftung der Titelfigur bemerkbar macht, gar so unsauber tönen, liegt nicht am Dirigenten, der zwar den Sängern stets verlässlich den Boden bereitet, dabei aber stets spürbar mitgestaltet. Auf der Bühne findet so etwas wie ein Gipfeltreffen großer Stimmen statt. Leo Nucci, der vor unglaublichen 30 Jahren (!) den Simon Boccanegra zum ersten Mal sang, ist ein altersweiser, warmer Titelheld von staunenswerter Agilität und Pointiertheit.

Als dessen Gegenüber Fiesco firmiert mit Ferruccio Furlanetto ein massiv-sonorer Sänger, dessen lyrische Abschattierungen fast ebenso verblüffen. Als Amelia bringt Barbara Frittoli ein wenig flatternde Dramatik ebenso ein wie ein schönes Miteinander mit Nucci und Alfred Kim als kaum mehr als verlässlichem Adorno. Marco Caria bleibt als Paolo neben den kollegialen Giganten ähnlich einwandfrei-unauffällig.

Die flächige Inszenierung von Peter Stein funktioniert schon allein durch ihre eingängige Farbensprache nach wie vor. Psychologisch hat sie jedoch inzwischen nicht mehr allzu viel zu sagen. Doch was soll's - wenn eben das die Musik so stringent leistet wie in einer so glänzenden Repertoireversion, die festlicher wirkt als manche Premiere. (daen, DER STANDARD, 28.1.2015)