Die Tatsache, dass Alexis Tsipras, Darling der europäischen Linken, mit einem dubiosen Rechtspopulisten eine Koalition macht, hat doch etliche der Bewunderer des Syriza-Chefs verstört. Es kommt ja noch dazu, dass Tsipras mit der linksbürgerlichen To Potami durchaus eine saubere Alternative gehabt hätte; und dass sein gewählter Partner Panos Kammenos ein idealtypisches Exemplar der alten griechischen Politikerkaste ist (Verbandelung mit steuerscheuen Interessen wie Reeder und orthodoxe Kirche, steuerschonende Yacht etc., etc.). So viel zum "Neubeginn".

Aber es bleibt noch das Argument, dass ja sowohl Tsipras wie Kammenos gegen den "Sparkurs" der EU beziehungsweise der strengen Herrin Angela Merkel ankämpfen. Der Sparkurs hat in der Tat einen Teil der griechischen Bevölkerung verarmen lassen. Aber selbst wenn er jetzt gemildert werden sollte, wird das der griechischen Wirtschaft keinen Auftrieb geben. Aber das wäre die einzige Möglichkeit, das Land nachhaltig aus der Misere zu holen.

Das gilt auch für die gesamteuropäische Situation. Alle, die jetzt jubeln, weil mit dem Wahlsieg von Tsipras das "Spardiktat" in der EU gebrochen werde, stellen eine falsche, realitätsferne Rechnung an. Solange nicht die strukturellen Schwächen der griechischen, italienischen, spanischen Wirtschaft behoben werden, hilft auch ein Ende der Austerität nur kurz.

Diese Austeritätspolitik ist im Grunde zu eindimensional, das ist wahr. Aber dass das in Ländern wie Griechenland so vielen so wehtut, liegt auch daran, dass dort so viele vom Staat abhängig sind. Daran, dass die Parteien ihre Gefolgsleute in den öffentlichen Dienst stopften. Wohltaten unters Volk streuten.

Wenn die Schleusen wieder geöffnet werden, wie Tsipras das verspricht, geht es eine Zeit lang manchen Leuten besser, aber an der darunterliegenden Situation hat sich nichts geändert. Das gilt nicht nur für Griechenland. Dieses Land ist in solchen Schwierigkeiten, weil es sogar seine wenigen Assets – Tourismus, Landwirtschaft – nicht entwickelt hat und sonst nichts anbietet. Aber auch Spanien und Italien haben Strukturschwächen. Der österreichische Handelsdelegierte in Athen sagte, Griechenland könnte zu einem Software-Zentrum werden und die Sonnenenergie ausbauen. Um aber da investieren zu können, müssten erst einmal die Steuern ordentlich eingehoben werden, und zwar nicht nur von den Oligarchen, sondern von den ganz gewöhnlichen Bürgern. Tsipras will übrigens die einzige effiziente neue Steuer, die Grundsteuer, wieder aufheben.

Die meisten Linken verstehen unter "Ende des Sparkurses", dass wieder Staatsknete über die Bevölkerung ausgeschüttet wird. Aber diese Debatte um den "Sparkurs" ist sinnlos ohne einen Plan, wie diese Länder wieder zu Einnahmen kommen.

Man wird Griechenland vorläufig weiterfinanzieren müssen; auch einige der härtesten Sparmaßnahmen sollten gemildert werden. Wenn das aber alles ist, kommt unweigerlich der nächste Crash. Dann wird aber die Geduld der europäischen Steuerzahler zu Ende sein. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 28.1.2015)