Zu zweit ist doch besser Austern essen: Manuel Rubey und Bernadette Heerwagen in Marie Kreutzers Romanverfilmung "Gruber geht".

Foto: Thimfilm/Petro Domenigg

Wien - Seine Krankheitsdiagnose postet dieser Typ als Statusmeldung in einem sozialen Medium: "John Gruber hat Krebs." Wer macht denn so was? Einer, der sich gerne schlechte Scherze erlaubt; einer, dem die Gefühle seiner "Freunde" herzlich wurscht sind. Für Gruber gilt eigentlich beides. Der eitle Karrieremensch, der sein Singledasein mithilfe unerlaubter Substanzen aufpeppt und soziale Bindungen auf eine Nacht beschränkt, erkrankt in Gruber geht zwar tatsächlich. Doch ein Grund, den Lebensstil zu verändern, ist dies für ihn zunächst nicht. Gruber macht weiter, weil er eben kann.

Marie Kreutzer hat das erfolgreiche Romandebüt der Journalistin Doris Knecht nun für das Kino adaptiert. Als Regisseurin für diese verdeckte Läuterungsgeschichte eines oberflächlichen Wichtigtuers ist sie eine durchaus vielversprechende Wahl. Die Grazerin hat bereits mit ihren Kurzfilmen Gespür für Beschreibungen zeitgenössischer Milieus bewiesen und mit ihrem Debütfilm Die Vaterlosen auch die Anforderungen eines Ensemblefilms bewältigt.

Gruber geht freilich ist stärker als Mainstreamkomödie konzipiert - eine Bestseller-Adaption, die einige Kanten der Vorlagen ausbügelt, stellenweise wie eine Familienkomödie wirkt, dann wieder Anleihen an der Romantic Comedy nimmt. Die Hauptfigur, als Narziss auf seine Unabhängigkeit bedacht, dient als loses Scharnier zwischen gegensätzlichen Lebensentwürfen. Schwester Kathi (Doris Schretzmayer) verkörpert mit kinderreicher Familie und Haus am Land eine unaufgeräumte Bürgerlichkeit, während die als DJ in Berlin lebende Sarah (Bernadette Heerwagen), zu der Gruber nach einer Nacht Gefühle entwickelt, eine bohemienhafte Alternative vorlebt.

Ein allzu literarischer Held

Stimmig wirkt dieses Beziehungsgeflecht jedoch nur bedingt. Dass es sich bei Gruber um keine allzu einnehmende Figur handelt, ist dabei nicht das Problem. So ein Wiener Schnösel - auf den sich Manuel Rubey fast schon zu gut versteht - ist durchaus amüsant. Ermüdend ist allerdings der Umstand, dass es bei Kreutzer kaum eine Dialogzeile gibt, die nicht auch Grubers zynische Grundhaltung zum Ausdruck bringt. Da hätte weniger oft auch gereicht, zumal solche Wiederholungen den Helden insgesamt zu literarisch wirken lassen - aus dem Unsympathler wird ein Zwangsironiker, dessen Humor Kreutzer wie einen Flaschengeist bei jeder beliebigen Gelegenheit beschwört.

Die Szenen innerhalb der Familie, in deren Mitte sich Gruber insgeheim zurücksehnt, bleiben dagegen so kursorisch, dass die Figuren kaum Eigenleben entwickeln. Da wurde Potenzial verschenkt. Flüssiger und eleganter inszeniert Kreutzer die Liebesgeschichte mit Hindernissen, die auch widersprüchlichere Tonarten zulässt. Das ist auch Bernadette Heerwagen zu verdanken, deren Sarah mehr zugemutet wird, als nur einen Mann zu zähmen. Sie betont ihre Eigenständigkeit nicht ohne Melancholie und verliert die zahlreichen Defekte des neuen Herzensmannes nicht gleich aus dem Blick. Das kommt nicht nur diesem selbst, sondern dem Film insgesamt zugute. Man hat das Gefühl, dass beide mit der Dauer an Sicherheit gewinnen.

Einen glaubwürdigen Tonfall trifft Gruber geht darüber hinaus auch in nebensächlicheren Szenen, da durchwirkt den Film momenthaft eine Selbstverständlichkeit, die nicht so sehr als Ergebnis des Drehbuchs erscheint: eine durchzechte Nacht mit einem alten Haberer in einer Bar, eine überraschende Begegnung mit einem schwulen Fitnesstrainer oder die durchaus komischen Reibereien zwischen Gruber und einem anderen Krebskranken sowie einer Ärztin im Spital.

Bei der einen oder anderen dieser Episoden wünschte man sich, der Film hätte sie ausführlicher behandelt. Das würde dem letztlich doch recht formelhaften Ablauf ein wenig mehr von der Vielfalt des Lebens verleihen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 28.1.2015)