Eine Expertenkommission widerspricht Filmemacher Sulzer, dieser will nun "neue Beweise" liefern.

Foto: Andreas Sulzer

Linz - Drei Monate hat eine 16-köpfige Expertengruppe versucht, Licht in die vermeintliche "Unterwelt" von St. Georgen an der Gusen zu bringen. Montagvormittag trat man dann mit einer klaren Botschaft an die Öffentlichkeit: Es gebe keinen Beweis dafür, dass die ehemalige Nazi-Stollenanlage "Bergkristall" größer als bisher bekannt gewesen wäre oder es dort gar Atomversuche gegeben hätte. Alle Hinweise darauf hätten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standgehalten, fasste der Perger Bezirkshauptmann Werner Kreisl zusammen.

Wissenschaftlich zerpflückt hat man damit die Thesen des Linzer Filmemachers Andreas Sulzer, der im Zuge seiner Recherchen für einen Film über den SS-Geheimwaffenchef Hans Kammler angebliche Beweise für die Existenz noch unbekannter NS-Stollenanlagen gefunden haben will.

"Histotainment" auf Kosten der Opfer

Unter Historikern entbrannte eine heftige Diskussion. Der renommierte Grazer Historiker Stefan Karner riet, durch die Prüfung aller neuen Unterlagen "Licht in die Sache" zu bringen. Fachlicher Gegenwind kam aber aus Wien: Bertrand Perz, stellvertretender Leiter des Instituts für Zeitgeschichte an der Uni Wien, sprach von "Histotainment" auf Kosten der Opfer. Rund um "Bergkristall" gebe es "kein Geheimnis".

Für eine Prüfung der von Sulzer vorgelegten Funde nahm Perz aber dennoch in der Expertenrunde neben Archäologen, Denkmalschützern und Vertretern des Innenministeriums Platz. Im Abschlussbericht wird in 21 Punkten erklärt, warum - aus Sicht der Fachleute - die Geschichte nicht umgeschrieben werden muss.

Bei Bohrungen seien keine Hohlräume entdeckt worden, vermeintliche Raketenabschussrampen seien Lüftungsanlagen von "Bergkristall". Vom Filmemacher "entdeckte" Baupläne für weitere Stollenbauten in St. Georgen seien seit Jahrzehnten frei zugänglich und würden obendrein Projekte in Deutschland an einem gleichnamigen Ort betreffen.

Filmemacher verspricht "neue Beweise"

Auch der jüngste Fund Sulzers beschäftigte die Fachwelt. Auf dem Gelände des örtlichen Schützenvereins hatte er kurz vor Weihnachten - anhand von britischen Geheimdienstberichten - eine unterirdische NS-Anlage entdeckt und mit Ausgrabungen begonnen. Sulzer vermutet dort einen Stolleneingang, die Behörde stoppte die Grabungen umgehend. Für das Bundesdenkmalamt ist hingegen nach eingehender Prüfung widerlegt, dass sich dort unbekannte Stollen befinden. Die Bauten seien Relikte eines Unterstandes einer ehemaligen SS-Schießanlage. Weitere Grabungen seien aber dennoch geplant.

Sulzer bleibt bei seinen Thesen und verspricht "neue Beweise". (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 27.1.2015)