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Eine Angelobung voller Symbolik: hier der Alte, dort der Junge. Hier der scheidende Präsident Karolos Papoulias, dort der anzulobende Ministerpräsident Alexis Tsipras. Und auch der Dresscode des Wahlsiegers – offenes Hemd, keine Krawatte – war bewusst gewählt.

Foto: AP / Thanassis Stavrakis

Eine knappe Stunde zum Kaffee am Morgen, die Augen noch etwas verquollen von der kurzen Nacht, dann waren sich Alexis Tsipras und Panos Kammenos einig: Der linke Mann der größten und der rechte Mann der kleinsten Partei im neuen griechischen Parlament bilden eine Regierung. Die Anti-Sparkurs-Koalition, die Europa herausfordern will, stand im Handumdrehen.

Am Nachmittag fährt Wahlsieger Tsipras, der Führer der linksgerichteten Syriza, zum Staatspräsidenten und lässt sich zum Premier ernennen. Es ist das symbolische Bild für den Umbruch in Griechenland, der sich nun vollzieht: Der 40-jährige Tsipras, wie stets ohne Krawatte, macht dem 85-jährigen Präsidenten Karolos Papoulias seine Aufwartung; einem Politiker der zugrunde gegangenen Sozialistenpartei Pasok. Zwischen den beiden steht der Tisch, auf dem die Ernennungsurkunde liegt.

Schnelle Kabinettsliste

Am Montagabend sickern die ersten Ministernamen durch. Kammenos übernimmt das Verteidigungsressort, heißt es. Dazwischen nicken Parteigremien die vielleicht größte politische Wende seit dem Sturz der Junta 1974 ab. "Heute wird gefeiert, morgen beginnt die harte Arbeit", hatte Tsipras in der Wahlnacht Tausenden von jubelnden Anhängern vor der Universität von Athen zugerufen. Am Tag nach dem historischen Sieg vergeudete der Syriza-Chef in der Tat keine Zeit.

149 Sitze gewann die Koalition der Radikalen Linken (Syriza) bei den vorgezogenen Wahlen am Sonntag; nur zwei Sitze fehlen ihr zur absoluten Mehrheit. Fast nochmals zehn Prozent legte die Linkspartei im Vergleich zu den Protestwahlen vom Sommer 2012 zu. Damals wurde sie zur größten Oppositionspartei in Griechenland – nun regiert sie selbst.

"Memoranden annulliert"

"Das Mandat des griechischen Volks heute annulliert in unzweifelhafter Weise die Memoranden", hatte Tsipras in seiner Siegesrede erklärt und damit die Kreditvereinbarungen mit den Sparauflagen gemeint. Die Kreditprogramme laufen nun ohnehin aus, eine letzte Rate der EU steht noch aus. Aber es geht um die weitere Finanzhilfe für Griechenland und um den Schuldenberg von 315 Milliarden Euro.

Ausgerechnet Panos Kammenos, der neue Koalitionär von der kleinen rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen, hatte sich im Wahlkampf als die mäßigende Kraft empfohlen, die Tsipras davor bewahren würde, das Land an die Wand zu fahren. Seinen Werbespot fanden die Griechen einleuchtend: Kammenos zeigt einem Buben in einem Spielzeugladen, wie man eine Modelleisenbahn so fährt, dass sie nicht entgleist. Dann tritt die Mama auf. Sie sucht ihren kleinen Alexis: natürlich ein Verweis auf Tsipras.

13 Sitze bringt Kammenos mit seiner Fraktion ein. Lange war unsicher, ob seine Partei nochmals den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde schafft. Am Wahltag trafen viele Griechen dann eine bewusste Entscheidung und stimmten für die Rechtspopulisten: die einen, weil ihnen eine Alleinregierung der unerfahrenen Linken zu riskant erschien; die anderen, weil sie fürchteten, die kleinen Parteien könnten zwischen Syriza und Nea Dimokratia zerrieben werden, und am Ende gäbe es ein Patt wie schon einmal 2012.

"Glühende Kohle"

Der geschlagene Regierungschef Antonis Samaras gab in der Wahlnacht seine Erklärung vor der Presse ab. "Mein Gewissen ist rein", sagte Samaras. Er habe 2012 ein Land am Rand der Katastrophe übernommen wie eine "glühende Kohle in der Hand": "Heute übergebe ich ein Land ohne Defizite, das in geordneter Weise aus der Krise geht." Er hoffe, dass die nächste Regierung diese Errungenschaften bewahren werde. Anders als bei der Nea Dimokratia kündigten sich bei den Sozialisten der Pasok personelle Konsequenzen aus dem neuerlichen Absturz an. Die einst stolze Regierungspartei kam nicht einmal mehr auf fünf Prozent. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 27.1.2015)