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Australien will an der Kohle festhalten (im Bild der Verladeterminal in Newcastle nördlich von Sydney). Die durch CO2 hervorgerufene Klimaerwärmung gefährdet auch das Barrier Reef massiv.

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Um das Weltnaturerbe Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens zeichnet sich eine erste Wende zum Positiven ab: Umweltminister Greg Hunt hat am Wochenende erklärt, dass künftig weder Schlamm noch Meeresboden aus der Erweiterung von Häfen im Riff entsorgt werden dürfen.

Experten warnen seit Jahren, die Praxis gefährde Flora und Fauna des mit 2500 Kilometern Länge vor der Küste des Bundesstaates Queensland gelegenen größten Korallengebildes der Welt. 2013 hatte Hunt einem Plan des indischen Kohlegiganten Adani zugestimmt, drei Millionen Tonnen Schlamm aus der Erweiterung des Kohleverladehafens Abbot Point im Riff zu "entsorgen". Nach internationalen Protesten prüft er nun die Endlagerung in einem als gefährdet eingestuften Feuchtgebiet. Wegen Umweltbedenken hatten sich verschiedene internationale Finanzhäuser geweigert, das Projekt zu finanzieren, darunter auch die Deutsche Bank.

Canberra reagiert mit der Verordnung in letzter Minute auf eine Warnung der Unesco, das Riff noch heuer auf die Liste der "gefährdeten Weltnaturerbestätten" zu setzen. Die Kulturorganisation der Vereinten Nationen kritisiert die ihrer Meinung nach mangelnde Sorgfalt Australiens im Umgang mit dem spektakulären Naturgebiet. Ein solcher Schritt hätte verheerende Konsequenzen für den Ruf Australiens als Reisedestination. Etwa 50.000 Menschen leben an der australischen Ostküste direkt oder indirekt vom Rifftourismus. Dieser Tage wird Hunt nach Paris reisen, um die Unesco von den Schutzanstrengungen seiner Regierung zu überzeugen.

Umweltverbände kritisieren, die Ankündigung sei "ungenügend" und "reine Alibiübung". Hunts Verordnung gelte nur für den von Australien definierten Meeresnaturschutzpark. 80 Prozent der "Entsorgungen" von Schlamm fänden aber in den restlichen Gebieten der Weltnaturerbezone statt. "Es ist nicht mehr akzeptabel, das Riff als Müllkippe zu gebrauchen", sagte Dermot O'Gorman von WWF Australien.

Sedimente ersticken Korallen

Laut Meeresbiologen ersticken Sedimente aus den Ablagerungen die Korallen und gefährden andere Lebewesen am Riff, darunter viele der 1500 Fisch- und sechs Schildkrötenarten. Doch die Praxis ist nur eine von vielen Bedrohungen, die das aus Tausenden von einzelnen "Koralleninseln" bestehende Gebilde langfristig gefährden. Mit Pestiziden und Düngestoffen belastete Abwässer aus der Landwirtschaft in den Küstenregionen, ein korallenfressender Seestern, vor allem aber der Klimawandel sind dafür verantwortlich, dass das Great Barrier Reef bis 2050 abgestorben sein könnte. Die durch die globale Erwärmung erhöhten Temperaturen führen zu einer Übersäuerung des Wassers - das Wachstum der Korallen wird gestört. Laut einer Studie von 2012 hat das 344.400 Quadratmeter große Riff seit 1985 gut 50 Prozent seiner Korallen verloren. Immer häufiger zeigen sich Rifftouristen enttäuscht, dass zwischen den Fotos in den Urlaubsbroschüren und der Wirklichkeit beim Schnorcheln eine sichtliche Diskrepanz besteht.

Laut James Trezise, Wissenschafter bei der australischen Naturschutzorganisation ACF, hängt die Zukunft des Riffs nicht zuletzt vom Ausgang der Regionalwahlen in Queensland dieses Wochenende ab. Die konservative Regierung von Premier Campbell Newman hat in ihrer ersten Amtszeit kein Hehl daraus gemacht, der politisch einflussreichen Kohleindustrie den Vorrang über den Schutz der Umwelt zu geben.

Kohle und Kohlendioxid

Kohle ist eines der wichtigsten Exportprodukte Queenslands und Australiens. Im Hinterland der Ostküste liegt das "Galilee Basin", eine der reichsten Kohlelagerstätten der Welt. Die Regierung unterstützt dort den Bau von weiteren neun riesigen Kohleminen. Durch die Verbrennung von Kohle in Exportmärkten wie China und Indien aus diesen Anlagen würden geschätzte 705 Millionen Tonnen klimaschädigendes Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen, mehr als die 542 Millionen Tonnen, die Australien pro Jahr produziert. Einer Studie zufolge müssen 90 Prozent der Kohlereserven Australiens im Boden bleiben, wenn es der Welt gelingen soll, bis 2050 den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen bei zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Sollte Newman wiedergewählt werden, gehen Beobachter davon aus, dass die Minenprojekte im Galilee-Gebiet rasch in Angriff genommen werden. Nutznießer eines Sieges der Konservativen wäre die indische Firma Adani, die einen wesentlichen Teil der Kohlevorkommen im Galilee-Gebiet kontrolliert. Sie kann beim Bau der Minen mit einer großzügigen Unterstützung der Regierung rechnen. (Urs Wälterlin aus Canberra, DER STANDARD, 27.1.2015)