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Der Rechte Matteo Salvini huldigt dem Linken Alexis Tsipras.

Foto: AP/Calanni

Das ist eine schallende Ohrfeige für die Europäische Union des Euro, der Arbeitslosen und der Banken", tönte der Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, Matteo Salvini, nach den Parlamentswahlen in Griechenland euphorisch. Erfreut zeigte sich in Italien auch Silvio Berlusconis Forza Italia: "Falls Berlin und Brüssel auch diese Botschaft nicht verstehen sollten, dann ist ihnen nicht mehr zu helfen", sagte ein Sprecher.

Auch unter Italiens Kommunisten und Globalisierungsgegnern genießt Wahlsieger Alexis Tsipras schon lange große Sympathie: Bei den Europawahlen 2014 trat sogar eine Liste mit seinem Namen an: "Das andere Europa mit Tsipras" erzielte drei Sitze. Entsprechend gefeiert wurde der Sieg von Syriza auch von der radikalen Linken. Das griechische Volk habe seine Würde zurück, lautete der Tenor.

Wie in Griechenland machen in Italien rechte und linke Populisten seit längerem "Brüssel" und "Berlin" für die eigene Misere verantwortlich: Die erzwungene Haushaltdisziplin würge jedes Wachstum ab und verschlimmere die Krise. Dass zumindest in Italien von wirklich einschneidenden Sparmaßnahmen bisher nicht die Rede sein kann, wird verdrängt - ebenso der Umstand, dass die Schulden nicht von Angela Merkel, sondern hauptsächlich von Silvio Berlusconi und seinen Vorgängern angehäuft wurden.

Auch der aktuelle Regierungschef Matteo Renzi bedient sich gerne der Anti-EU-Rhetorik - etwa wenn er sagt, Italien nehme aus Brüssel "keine Hausaufgaben und Zeugnisnoten" entgegen. In der Praxis hält er die Vorgaben jedoch mehr oder weniger ein: Das Defizit liegt unter der ominösen Drei-Prozent-Grenze, und vor kurzem hat die Regierung ein neues Arbeitsgesetz verabschiedet, das vom linken Flügel in Renzis Partito Democratico (DC) und von den Gewerkschaften als "neoliberal" verteufelt worden ist.

Renzi gilt wie Tsipras als Vertreter der jungen, unkonventionellen Linken in Europa: Beide sind 40-jährig, charismatisch, und sie versprechen eine radikale Wende im eigenen Land und in Europa. Dennoch gibt es große Unterschiede: Renzi, ein ehemaliger Pfadfinder aus christdemokratischem Haus, ist alles andere als linksradikal. Er will sein Land zwar modernisieren - aber er denkt dabei durch und durch bürgerlich und marktwirtschaftlich.

Verstummter Twitterer

Es ist bezeichnend, dass der eifrige Twitterer Renzi, der sonst zu allem und jedem einen Kommentar abgibt, zum Wahlsieg des "echten" Linken Tsipras gestern stumm geblieben ist.

Tsipras wird für Renzi - und die gesamte "Mittelmeerfraktion" in der EU - in Brüssel ein willkommener Verbündeter sein, wenn es um die Durchsetzung von etwas mehr Haushaltflexibilität gehen wird.

Aber das politische Erdbeben von Athen kann auch zur Gefahr werden: Italiens Staatsschuld beträgt 2300 Milliarden Euro und liegt damit um 2000 Milliarden über jener Griechenlands. Eine neue Finanzkrise kann sich Italien, das derzeit von historisch tiefen Zinsen profitiert, absolut nicht leisten. (Dominik Straub aus Rom, DER STANDARD, 27.1.2015)