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"Der Moment ist jetzt": Podemos-Chef Pablo Iglesias rief zeitgleich mit der Griechenland-Wahl zum Parteitreffen in Valencia.

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Euphorie unter den Podemos-Anhängern.

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So mancher in Spanien feierte den Sieg von Syriza in Griechenland, als wären es die eigenen Wahlen gewesen. Auch auf der Iberischen Halbinsel macht sich der Unmut über die Sparpolitik breit. Die ganz große Überraschung scheint auch in Spanien möglich: Umfragen sehen die erst 2014 gegründete Partei Podemos ("Wir können"), deren Parteichef Pablo Iglesias zusammen mit Syriza-Chef Alexis Tsipras im Wahlkampf in Athen auftrat, für die Parlamentswahlen im Herbst teils auf Platz eins.

Die Zeit der trauten Zweisamkeit, in der sich der konservative Partido Popular (PP) von Premier Mariano Rajoy und die sozialistische PSOE alle paar Jahre an der Macht ablösten, scheint vorüber. Die beiden einst Großen liegen zusammen bei deutlich unter 50 Prozent. Vor nur vier Jahren vereinigten sie noch 73 Prozent.

Kein Blatt vor dem Mund

Podemos entstand vor einem Jahr. Es ist das Projekt einer kleinen Gruppe junger Politik- und Soziologieprofessoren an der Uni Complutense in Madrid rund um den 36-jährigen Pablo Iglesias. Der Name geht auf den Ruf der US- Hispano-Bewegung zurück. Ihr "Sí, se puede!" ("Ja, man kann!") wurde nicht nur zum "Yes, we can!" Barack Obamas, sondern auch zum Motto der spanischen Bewegung gegen Zwangsdelogierungen von Familien, die Wohnungskredite nicht zurückzahlen können.

Der wortgewandte Politikwissenschafter Iglesias ist den Spaniern aus den TV-Talkshows seit Jahren bekannt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, redet von der Schuld der Banken, davon, dass Menschen und nicht Finanzinstitute gerettet werden müssen, von den Hunderten zwangsgeräumter Wohnungen täglich, der Arbeitslosigkeit von über 25 Prozent, von den Jugendlichen, die ihr Glück wie einst ihre Großväter im Ausland suchen, und von einer korrupten politischen Klasse. "Die Kaste" nennt er sie, und die Botschaft kommt in Krisenzeiten an.

Vom Arbeiterviertel zur Uni

Iglesias ist Doktor der Politikwissenschaft. Der Sohn einer Gewerkschafterin aus einem Arbeiterviertel der Hauptstadt hat in Spanien, Italien, Mexiko, der Schweiz und in den USA studiert. Einer seiner Weggefährten ist Juan Carlos Monedero, ebenfalls Politikprofessor und Berater der venezolanischen und ecuadorianischen Regierung. Beide gründeten 2008 den Zirkel "Kritisches Denken", der sich mit der Lage in Spanien auseinandersetzt.

2014 beschloss die Professorengruppe, den Weg ins echte Leben zu gehen. Iglesias kündigte an, eine Liste für die EU-Wahl vorzubereiten, falls er 50.000 Unterstützer finde. In nur wenigen Stunden waren diese zusammen. Podemos gelang die Überraschung: 1,2 Millionen Stimmen (acht Prozent), fünf Sitze in Brüssel.

Wunsch nach Wandel

Sieben Monate ist das her; und doch scheinen es Geschichten aus grauen Vorzeiten. Podemos hat sich - immer per offene Online-Abstimmung - Strukturen gegeben. Rund 300.000 Menschen sind eingeschrieben. Jung und Alt, Männer und Frauen, Arbeiter und Akademiker - es ist ein bunt gemischter Haufen. Die meisten waren nie zuvor in einer Partei. Niemand fragt danach, woher jemand kommt. Ob er zuvor die PSOE gewählt hat, die postkommunistische Vereinigte Linke, Grün oder gar die Konservativen.

Sie alle verbindet der Wunsch nach einem Wandel, einem Ende der Kürzungen und einem Ende der Korruption. 2015 ist ein Superwahljahr. Im Mai werden Gemeinderäte und Regionalparlamente gewählt, im Herbst die Regierung.

"2015 ist das Jahr des Wechsels", versprach Pablo Iglesias Sonntag in Valencia. Seine Par- tei ruft zu einem großen "Marsch für den Wechsel" am Samstag nach Madrid. Der soll das Ende der konservativen Regierung und der Austerität einläuten, verspricht Iglesias: "ticktack, tick-tack ..." (Reiner Wandler aus Madrid, DER STANDARD, 27.1.2015)