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Protest gegen Sparkurs und Schuldendienst: Der Internationale Währungsfonds solle verschwinden, meinen manche Griechen.

Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis

STANDARD: Von einem ökonomischen Standpunkt aus: Was ist das größte Risiko nach den Wahlen in Griechenland?

Christopher Pissarides: Es ist nicht nur eine Frage des Risikos. Für mich ist das größere Risiko der Zusammenbruch der Kommunikation und der übergreifenden Solidarität der EU-Führung und der Kommission. Dass wir uns in Richtung einer feindlichen Umgebung bewegen, die die Situation schlimmer macht. Wir hatten einen sehr kooperativen und solidarischen Zugang zur EU-Integration bis zur Krise 2008 und vor allem der Verschuldungskrise 2010. Seither sind die Beziehungen innerhalb der Eurozone nicht mehr so gut gelaufen. Forderungen wurden erhoben, es wurde so argumentiert: Du gibst mir das, ich dir dafür das. Jetzt hat man begonnen, sich in Richtung Zusammenarbeit zurückzubegeben. Das könnte nun gefährdet sein.

STANDARD: Wie bewerten Sie mit Blick auf Griechenland den Entscheid der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen zu kaufen?

Pissarides: Ich begrüße die Entscheidung der EZB mit Enthusiasmus. Das war eine Eurozonen-Entscheidung, ein Beschluss für die Zone als Ganzes, nicht für ein Land allein. Ich fürchte für den Fall eines Rückschrittes, dass wir dann auch einen Rückfall in der Zusammenarbeit erleben und wie die Probleme in Europa angegangen werden. Ich hoffe, dass das, was wir während der Wahlkampagne gehört haben, vergessen ist, wenn man in der Regierung ankommt. Und dass man realisiert: Wenn man nicht kooperiert in Europa, und vor allem in der Eurozone, dann werden alle leiden, und wir werden uns rückwärtsentwickeln.

STANDARD: Was muss die künftige Regierung Ihrer Meinung nach machen?

Pissarides: Strukturreformen. Es ist absolut essenziell, damit fortzufahren. Die größte Enttäuschung, die ich erlebt habe, war zu hören, dass der Staat mehr ausgeben soll. Damit wird man nichts gewinnen können. Man kann nicht sagen, wir machen keine Strukturreformen, und gebt uns darüber hinaus noch Geld. Da würde sogar ich als Grieche sagen, das mache ich nicht. Es ist sehr wichtig, dass bei den Strukturreformen weitergemacht wird. Vielleicht bietet sich nun die Möglichkeit, etwas zu schaffen, was eine Bedingung für alle Staaten wird und das auch auf Griechenland angewandt wird: Man wendet den Staatsanleihenkauf an, fährt aber mit den Strukturreformen fort.

STANDARD: Warum soll das für alle Eurozonen-Länder gelten?

Pissarides: Das sollte nicht speziell für Griechenland sein, denn alle Länder sollen gleichbehandelt werden. Was ich aber betonen möchte: Die Strukturreformen müssen weitergehen, weil das gut für die Wirtschaft ist, diese zu modernisieren und damit wettbewerbsfähiger zu machen. Die Produktivität zu erhöhen, ist ein Beitrag, uns aus der Rezession zu holen. Ich hoffe, dass diese Entscheidung der EZB, die sehr gut für Europa ist, den Reformprozess nicht unterminiert, den wir uns vorgenommen haben.

STANDARD: Wenn nun aber neue Bedingungen für Griechenland ausverhandelt werden, was wäre die Konsequenz?

Pissarides: Ich hoffe, dass man den Weg fortsetzen kann – ohne andere Bedingungen. Wenn es sich herausstellen sollte, dass man andere Bedingungen aufstellen muss, dann sollten diese für alle Länder in der Eurozone gleich sein. Um am Staatsanleihen-Ankauf-Programm teilnehmen zu können, sollte man mit den vereinbarten Strukturreformen weitermachen müssen.

STANDARD: Gilt das auch für den Sparkurs?

Pissarides: Ich bin nicht sehr für Sparmaßnahmen, denn man braucht Investitionen, um wiederum Investitionen zu erreichen. Länder innerhalb der Eurozone sollten ihre Infrastruktur verbessern können, ohne dass dies auf die Maastricht-Kriterien angerechnet wird. Das würde auch im Strukturanpassungsprozess helfen. Ich hoffe, das sieht auch Deutschland so. Alle Länder sind aufgefordert, Strukturanpassungen durchzuführen, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften zu erhöhen, weil das Staatsanleihenprogramm effektiver sein wird, wenn das Thema Inflation angegangen wird.

STANDARD: Glauben Sie, dass die Ankündigung des Staatsanleihenkaufs eine Auswirkung auf die Wahl in Griechenland hat?

Pissarides: Das bezweifle ich, denn die Ankündigung war zu knapp vor dem Wahltermin. Die Menschen haben schon entschieden, wen sie wählen wollen, das zeigt sich auch an den Umfragen.

STANDARD: Die EZB meinte, sie würde erst im Juni mit dem Staatsanleihenkauf für Griechenland beginnen. Ist Juni aus Ihrer Sicht zu spät?

Pissarides: Das ist etwas enttäuschend. Es sollte für alle Länder zum gleichen Zeitpunkt starten. Wenn man im März damit beginnt, dann sollte es gleichzeitig in allen Ländern stattfinden. Warum nicht auch im März in Griechenland? (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 26.1.2015)