Grad-Raketen auf Mariupol, der Beschuss eines ukrainischen Reisebusses, die Kämpfe um den Flughafen von Donezk und Artilleriegeschoße auf die Stadt - das Minsker Abkommen brüchig zu nennen ist ein echter Euphemismus. Im September vergangenen Jahres haben die Parteien der Ukraine-Krise in Weißrussland vereinbart, eine Waffenruhe einzuhalten und den blutigen Konflikt zu entschärfen. Gelungen ist das schlechterdings nicht. 1400 Menschen haben seither ihr Leben bei Kämpfen verloren. Ein vollständiges Wiederaufflammen des Krieges ist unter den neuesten Vorzeichen wahrscheinlich.

Damit wäre endgültig bewiesen, dass es nicht geglückt ist, die immer wieder aufkochende militärische Auseinandersetzung auf ein diplomatisches Kondensat zu reduzieren, mit dem Diplomaten gemäß nationalen (oder europäischen) Interessen umgehen können - ohne dass gleich das Blut dutzender Menschen vergossen wird.

Warum ist die Diplomatie gescheitert? Weil die wesentlichen Kräfte in dem Konflikt kein Interesse an dessen Beilegung haben: Kiew will verständlicherweise die Integrität seines Staatsgebietes wiederherstellen und nach der Krim nicht auch noch den Donbass verlieren. Moskau hält an seinem - ökonomisch wie politisch - bizarren Kalkül fest, es könne geopolitisch durch Konfrontationen dieser Art etwas gewinnen. Der Westen muss indes zusehen - und teilt sich den Schaden mit Kiew und Moskau. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 26.1.2015)