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Demonstranten in Kairo sind zur Seltenheit geworden, auch wegen des repressiven Vorgehens der Sicherheitskräfte. Bei Kundgebungen zum Revolutionstag gab es mindestens elf Tote.

Foto: REUTERS/Asmaa Waguih

Kairo - Der Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo glich am Sonntag wieder einmal einer militärischen Festung. Am Vorabend des vierten Jahrestages der Revolution hatten einige Dutzend Mitglieder einer linken Partei versucht, auf dem ikonischen Rund in Erinnerung an die Märtyrer von 2011 Blumen niederzulegen. Die Polizei löste den Zug auf. Eine 31-Jährige erlitt tödliche Schussverletzungen.

Bei kleineren Kundgebungen im ganzen Land wurden am Sonntag mindestens elf Muslimbrüder getötet. "Wann werden wir realisieren, dass Gewalt nicht die Lösung ist", twitterte Mohammed El-Baradei, Ex-Chef der Atomenergiebehörde IAEA und einer der Köpfe der Revolution von 2011, der inzwischen Ägypten wieder den Rücken gekehrt hat.

Wegen der Staatstrauer nach dem Tod des saudischen Königs Abdullah waren alle offiziellen Feiern abgesagt worden. Präsident Abdelfattah al-Sisi hatte im Vorfeld gesagt, dass er nichts von Protesten halte. 90 Millionen Ägypter wollten essen und trinken und eine gesicherte Zukunft, begründete er seine Politik, die ganz auf wirtschaftliche Entwicklung setzt und Demokratie und Menschenrechte nicht als Priorität erachtet.

Sisi wünscht Einheitsliste

Um diese Politik fortsetzen zu können, hat Sisi kürzlich sämtliche politischen Parteien und Bewegungen aufgefordert, sich bei den kommenden Wahlen auf eine Einheitsliste zu verständigen. Diese soll dann ihn unterstützen.

Die Forderungen der Revolution nach "Brot, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit" sind in der politischen Polarisierung und im von der Regierung ausgerufenen "Kampf gegen den Terrorismus" untergegangen. Viele der Revolutionsaktivisten sind im Gefängnis. Die Jugendbewegung des 6. April, treibende Kraft der Revolutionstage, hat deshalb diese Losungen vor kurzem neu unterstrichen.

Allerdings ist es schwierig geworden, für irgendein Anliegen auf die Straße zu gehen. Ein drastisches Demonstrationsgesetz verhindert praktisch alle öffentlichen Kundgebungen. Wer sich kritisch gegen die offizielle Politik äußert, muss sich zudem immer von ähnlichen Botschaften der von der Macht verdrängten Islamisten abgrenzen, die von den Sicherheitskräften unbarmherzig verfolgt werden. Anzeichen eines politischen Ausgleichs mit den Muslimbrüdern gibt es nicht, dafür werden die Exponenten des Mubarak-Regimes wieder salonfähig. Kürzlich hat ein Gericht entschieden, dass Hosni Mubaraks Söhne auf freien Fuß zu setzen seien. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 26.1.2015)