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EU-Kommissar Günther Oettinger forderte in Davos eine neue UN-Agentur für Datenschutz und Datensicherheit.

Foto: EPA/PATRICK SEEGER

Davos - Der für die digitale Wirtschaft zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger forderte in Davos eine neue UN-Agentur für Datenschutz und Datensicherheit. Eine solche Einrichtung sei notwendig, um vertrauliche und persönliche Informationen von Bürgern in aller Welt zu schützen. Dass Sony kürzlich gehackt worden sei zeige, der Datenschutz müsse radikal verbessert werden, erklärte Oettinger.

Internet-Erfinder für Bürgerbeteiligung

Der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners Lee, der an der Diskussion mit Oettinger teilnahm, sagte danach zu derStandard.at, es gehe vor allem um Verantwortung. Auch er sei für eine Agentur, in der aber auch die Bürger vertreten sein sollen. "Wenn man kein System schafft, in dem Rechenschaft über den Umgang mit Daten gezogen wird, dann wird man scheitern." Ein solches System aufzubauen, dürfe nicht nur den Regierungen überlassen werden. "Inklusion ist sehr wichtig." Es müssten Bürger, um deren Daten es gehe, einbezogen werden. Diese müssten jederzeit mit den Leuten reden können, die Überblick über ihre Daten hätten.

Es dürfe nicht zu einem Kampf zwischen mehr Sicherheit und mehr Privatsphäre kommen, bei dem das Pendel einmal vor und einmal zurückschwinge. Berners-Lee rief die Internetunternehmen auf, mehr darauf zu achten, was gut für ihre Nutzer sei. Eine neue Internetarchitektur müsse sich mehr um Privatsphäre kümmern, sagte der Brite, der mit seiner Erfindung vor 25 Jahren den Grundstein für die Entwicklung des Internets legte.

Auf dem Podium pflichtete ihm Yahoo-Chefin Marissa Mayer teilweise bei: "Eine Reaktion auf Snowden war, dass viel mehr Leute besorgt waren über ihre Privatsphäre und dass Verschlüsselung ein Thema geworden ist." Gleichzeitig betonte sie: Die Nutzer hätten ein Recht auf Kontrolle ihrer Daten und wie diese genutzt werden.

Yahoo reagierte auf Snowden

Ihr Unternehmen habe nach den Snowden-Enthüllungen sofort den Umgang mit Daten und Verschlüsselung verändert. Wie, ließ sie offen. Danach gefragt, wie Yahoo damit umgehe, wenn eine Anfrage von außen nach Daten, etwa von einem pressiven Regime käme, antwortete sie: "Was wir seit den Snowden-Enthüllungen wissen, ist: Entweder sie nutzen offizielle Kanäle oder auch nicht, um an Daten zu kommen und sie kommen an Daten."

Microsoft-Chef Satya Nadella schlug in eine ähnliche Kerbe: "Wir müssen eine Balance finden zwischen Privatsphäre einerseits und auf der anderen Seite der Benutzung von Daten für legitime öffentliche Sicherheitsinteressen." Wie dies gelingen könne, ließ auch er offen.

Human Rights Watch kritisiert USA

Nach Ansicht von Kenneth Roth, dem Chef der weltgrößten Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, "hat Snowden uns allen einen Gefallen getan, weil er gezeigt hat, dass die US-Geheimdienste unsere Privatsphäre massiv verletzen". Die Regierung in Washington sei insbesondere der Ansicht, das Recht auf Privatsphäre bestehe außerhalb der US-Grenzen nicht, sagte er im Gespräch mit derStandard.at: "Wenn man als österreichischer Staatsbürger mit Freunden spricht oder Emails austauscht, dann ist die Ansicht der US-Regierung, sie hat dazu komplett freien Zugang. Das ist ein komplett unangebrachter Zugang."

Anfechtung bei UNO

Er kündigte eine Anfechtung dieser Position beim UN-Menschenrechtsausschuss im März in Genf durch Human Rights Watch und anderen Organisationen an. "Die US-Regierung feuert zurück. Deshalb brauchen wir europäische Unterstützung, auch von europäischen Politikern", sagte Roth.

Er setzt insbesondere auf Deutschland, das gemeinsam mit Brasilien auf globaler Ebene eine solche Initiative gestartet habe. Aber durch die Attentate von Paris könnten nun doch mehr der Ansicht sein, es sei mehr Überwachung notwendig. Aber gerade in Frankreich habe sich gezeigt, dass dies nicht unbedingt etwas bringe, da die späteren Attentäter den Sicherheitsbehörden bekannt gewesen seien. Vielmehr sei die Polizei mit so vielen Daten konfrontiert gewesen und habe die Verdächtigen laufen lassen, sagt Roth.

Polizeiarbeit statt Überwachung

Mehr in Entschüsselungstechniken zu investieren, bringe auch nicht unbedingt mehr Erfolge, denn es habe sich gezeigt, dass Terroristen häufig "einfach die Handys ihrer Frauen nutzen, das ist simpel und da helfen auch Entschlüsselungstechniken nichts", sagt Roth, der von seine Ausbildung her Jurist ist. Seine Lehren aus den Anschlägen von Paris und den Snowden-Enthüllungen: "Es ist besser in die grundsätzliche Polizeiarbeit statt in Massenüberwachung zu investieren, die so große Auswirkungen auf unsere Privatsphäre hat." (Alexandra Föderl-Schmid, derStandard.at, 24.Jänner 2015)